Die gemeinsame Trägerschaft als Erfolgsfaktor für Seniorenbüros (Dortmund)

Kooperationsstrukturen der Stadt Dortmund und der Freien Wohlfahrtsverbände

 Vor ca. zehn Jahren startete die Stadt Dortmund in gemeinsamer Trägerschaft mit den Wohlfahrtsverbänden das Projekt „Seniorenbüros in den Stadtbezirken“. Wohnortnah bieten 24 hauptamtliche Fachkräfte der Kommune und der Verbände im Tandem Beratung und Information rund um Themen des Älterwerdens bis hin zur systematischen Einzelfallhilfe an.

Die Arbeit basiert auf Netzwerken für quartiersnahe Seniorenarbeit, die von den Seniorenbüros aufgebaut wurden. Zu den Netzwerkpartnern gehören neben den bekannten Leistungserbringern (ambulante Pflegedienste, Senioreneinrichtungen) auch Hausärzte, Krankenhaussozialdienste sowie örtliche Polizeiwachen und Vertreter von Wohnungsvermietern. Zusätzlich arbeiten die Seniorenbüros mit vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern aus örtlichen Kirchengemeinden, Ortsvereinen der Verbände oder mit den Bezirksseniorenvertretern zusammen, um im Einzelfall niedrigschwellige Unterstützungen wie Besuchs- oder Begleitdienste zu organisieren.

Gemeinsames Ziel ist es, durch wohnortnahe Seniorenarbeit die Teilhabe älterer Menschen zu stärken und bei Bedarf im Einzelfall für eine passgenaue Unterstützung zur Aufrechterhaltung der selbständigen Lebensführung im Alter zu sorgen.

Kommune und Wohlfahrtsverbände „in einem Boot“. Wie kann für die kommunale Seniorenarbeit durch die enge Zusammenarbeit ein Mehrwert entstehen und was ist dazu organisatorisch erforderlich? Mit diesen Fragestellungen befasste sich der Workshop auf der 3. Herbstakademie.

 Stärken der Partnerbündeln

Am Dortmunder Beispiel wurden zunächst die Vorteile der Zusammenarbeit von Stadt und Verbände erläutert. Überzeugende Argumente für die trägerübergreifende Zusammenarbeit sind zweifellos die Bündelung der fachlichen Stärken der beteiligten Partner und die Zugänge zu den jeweiligen Diensten und Organisationsstrukturen. Während die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sozialverwaltung Fachkenntnisse aus der Sozialgesetzgebung mitbringen und im System des Sozialamtes gut vernetzt sind, verfügen die hauptamtlichen Kolleginnen und Kollegen der Verbände über gute Erfahrungen aus der Gemeinwesenarbeit in Kirchengemeinden und Ortsverbänden mit stadtweit entsprechenden Zugängen.

Für die ratsuchenden älteren Menschen oder für die Angehörigen bietet dieses Konzept die Hilfe „aus einer Hand“. Inzwischen haben sich durch die zusätzliche Beteiligung vieler örtlicher Netzwerkpartner die Strukturen für eine wohnortnahe Seniorenarbeit spürbar verbessert. Nicht die Zugehörigkeit zu einem Träger oder die Frage nach sozialhilferechtlichen Ansprüchen stehen im Vordergrund, sondern die Möglichkeiten einer umfassenden Hilfestellung orientiert an den individuellen Lebenslagen des Ratsuchenden. Schnelle Hilfe durch kurze Wege und die Vermeidung von Zuständigkeitsabgrenzung sind der Maßstab des gemeinsamen Handelns.

Vertrauensvolle Zusammenarbeit auf „Augenhöhe“

Berührungsvorbehalte der jeweiligen Träger für eine Zusammenarbeit zum Wohle der älteren Menschen konnten durch die „Tandemarbeit“ der Seniorenbüros abgebaut werden. Allen beteiligten Akteuren sind die jeweiligen „win-win“ Effekte in der praktischen Seniorenarbeit vor Ort deutlich geworden.

Für das Dortmunder Modell gab es keine Vorlage. Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung war und ist freilich die Entwicklung einer vertrauensvollen Zusammenarbeit von Kommune und Wohlfahrtsverbände „auf Augenhöhe“. In unzähligen Besprechungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Seniorenbüros wurden unter Beteiligung der Geschäftsführungsebene konkrete Ziele und Leitlinien entwickelt und immer wieder angepasst. Alle Entscheidungen von grundsätzlicher Bedeutung werden laufend beraten und abgestimmt. Es handelt sich somit um ein lernendes Modell, das bei Bedarf angepasst wird.

Stellenwert von Seniorenpolitik durch Stadtspitze stärken

Die offene Diskussion im Workshop führte zunächst zu der Frage, welche Voraussetzungen für eine derartige Konzeption erfüllt sein müssen. Mehrere Gesprächsteilnehmerinnen und -teilnehmer berichteten aus ihrer Kommunen oder von der Verbandsseite, dass ohne den Willen von Sozialpolitik und/oder der Stadtspitze oder den Geschäftsführungen der Verbände eine enge Zusammenarbeit in dieser Form kaum möglich ist. Generell ist es von hoher Bedeutung, welchen Stellenwert die Seniorenarbeit in der Kommunalpolitik erreicht. Vorgestellte Beispiele in der Runde aus Gelsenkirchen oder Arnsberg machten deutlich, dass besonders die Bürgermeister mit persönlichem Engagement der Seniorenpolitik eine hohe Bedeutung schenken können. Ferner wurde berichtet, dass es oftmals einflussreiche Personen aus der kommunalpolitischen Szene gibt, die sich für eine abgestimmte Kooperation einsetzen. Einen nicht unwesentlichen Einfluss hat auch die Kontinuität von Fachleuten in den jeweiligen Fachstellen. Weil Formen der Zusammenarbeit über viele Jahre hinweg durch vertrauensbildende Netzwerkarbeit wachsen, ist es von Vorteil, wenn die maßgeblichen Entscheidungsträger und handelnden Personen über längere Zeiträume nicht wechseln. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren sich zudem einig, dass kommunale Seniorenarbeit besonders in der gegenwärtigen Krise vieler kommunaler Haushalte als freiwillige Aufgabe besonders dann gefährdet ist, wenn die politische Unterstützung fehlt. Diskutiert wurde in dem Zusammenhang auch die Notwendigkeit, den ökonomischen Vorteil einer präventiven Seniorenarbeit stärker als bisher zu benennen und entsprechende Modellrechnungen zu entwickeln.

Fazit

Das Dortmunder Modell der Seniorenbüros ist deshalb seit fast 10 Jahren erfolgreich, weil die beteiligten Partner „Kommune und Wohlfahrtsverbände“ auch in schwierigen Phasen stets an der gemeinsamen Zielsetzung festhalten, ihre jeweiligen Stärken und Ressourcen zum Wohle der älteren Menschen einzusetzen. Mit diesem Schulterschluss ist es bisher gelungen, trotz der angespannten öffentlichen Haushalte die aufgebauten Strukturen zu erhalten und gegenüber der Kommunalpolitik überzeugend zu vertreten.

Zudem hat die Diskussion im Workshop aber auch ergeben, dass allein mit sozialpolitischen Argumenten die erforderlichen Finanzmittel in der Seniorenarbeit nicht hinreichend begründet werden können. Vielmehr ist bei der aktuellen Finanzlage vieler Kommunen auch der wirtschaftliche „Benefit“ in den Blick zu nehmen. Das Dortmunder Modell ist ein Beweis dafür, dass bei qualifizierter Einzelfallhilfe präventiv durchaus erhebliche Einspareffekte erzielt werden können, wenn voreilige stationäre Heimpflege vermieden oder hinausgezögert werden kann. In der kommunalpolitischen Diskussion zum demografischen Wandel sind demnach im Kern folgende Ziele zu benennen:

Mitwirkung und Mitverantwortung älterer Menschen zur Stärkung der gesellschaftlichen Teilhabe ermöglichen

  • wohnquartiersnahe Netzwerkstrukturen für eine abgestufte Versorgung und ein präventives Einzelfallhilfekonzept zur Verringerung von Sozialhilfe im Alter auf- und ausbauen.

Zum Autor

Nach dem Studium der Sozialwissenschaften leitete Reinhard Pohlmann vier Jahre eine stationäre Pflegeeinrichtung. Seit 1989 hat er die Bereichsleitung für Senioren der Stadt Dortmund. Neben der Sozialplanung ist er auch für die Geschäftsführung von 12 Seniorenbüros verantwortlich. Seit 1991 ist er Lehrbeauftragter an der Technischen Universität Dortmund mit dem Schwerpunkt Soziale Gerontologie. Reinhard Pohlmann ist Sprecher der Landes AG Seniorenbüros NRW und arbeitet in nationalen und internationalen Fachgruppen mit.

Kontakt:

Stadt Dortmund, Sozialamt
Fachdienst für Senioren
Kleppingstraße 26
44122 Dortmund
Telefon: 0231-50 22505
Telefax: 0231-50 26016
rpohlmann@stadtdo.de
www.senioren.dortmund.de

Literatur:

Pohlmann, Reinhard, Pogadl, Siegfried. Seniorenbüros in Dortmund, in: Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie Jg. 41 Nr. 2, S. 88-91, Springerverlag Heidelberg 2007

Pohlmann Reinhard. Lokale Strukturen für ein gutes Alter. Beispiel Dortmund. Seniorenbüros und Pflegestützpunkte, Deutscher Verein für öffentliche und private Vorsorge, Berlin 2010 (Präsentation F 427-10)

AG der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege NRW (Hrsg.), Impulspapier Quartier, Wuppertal 2012

Engelmann, Gohde, Künzel, Schmidt, Friedrich Ebert Stiftung (Hrsg.) Gute Pflege vor Ort – Das Recht auf eigenständiges Leben im Alter, Positionspapier, Bonn 2013

Kreuzer, Volker; ua. Zukunft Alter. Stadtplanerische Handlungsansätze zur altersgerechten Quartiersentwicklung. Dortmunder Beiträge zur Raumplanung, Blaue Reihe, Bd. 130, Dortmund, 2009

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Ministerium für Gesundheit, Pflege und Alter NRW (Hrsg.),Masterplan Altengerechte Quartiere NRW, Düsseldorf 2013

Letzte Aktualisierung: 24. November 2014

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