FIT sein im Alter – Teil 2/3

Bewegung und Sport im Verein machen Spaß und tun der Seele gut

Auf einen kurzen Nenner gebracht: Jede und jeder kann  sich bewegen oder Sport treiben, alleine oder in der Gruppe, je nach Persönlichkeit, Lust und Laune oder auch je nach  Bewegungs- und Sportart. Sportvereine bieten für jedes Alter Bewegungssituationen und Bewegungsmöglichkeiten an; sowohl drinnen, in Räumen oder Hallen, als auch draußen, „im Freien“, an der frischen Luft, in der Natur oder in Parkanlagen (im aktuellen Sprachgebrauch: Indoor und Outdoor). Bei Bewegung, Spiel oder Sport kann, wer will, jede/r wetteifern, sich mit anderen messen, seine eigene Leistungsfähigkeit  fühlen und verbessern oder sich einfach selbst spüren.

Man kann sich körperlich erleben, (weiter-)entwickeln, ausprobieren, verfeinern, steigern, entspannen, Neues probieren, Altes wieder anfangen oder sich für eine andere Richtung entscheiden –  ohne dass direkt eine große und gewichtige Lebensentscheidung dahinter steckt. Bewegung trägt entscheidend zu einem erfüllenden Sein bei.

Bewegung, Spiel und Sport sprechen den Menschen als Ganzes an – eben auch mit seinen sozialen Bedürfnissen. Neben der körperlichen Fitness entwickeln sich Kontakte über das gemeinsame Bewegen hinaus. Außerdem sind im Verein auch weitere Kompetenzen sowie Verantwortung gefragt: Ob im Team oder in einem Ehrenamt – dort kann man seine Lebenserfahrungen einbringen und sich für die Gemeinschaft engagieren.

Turnmutter aus Leidenschaft

Gruppe TurnerinnenKein Druckfehler: Seit mehr als 50 Jahren hält ein und dieselbe Übungsleiterin die Damenriege des Tust St. Arnold erfolgreich auf Trab. „Wir im Sport” hat sich an einem typischen Montagabend ins Münsterland aufgemacht.

„Wir fangen langsam an, die Beine zu heben”, schallt es durch die schlichte Turnhalle. 15 SeniorInnen schauen konzentriert auf Übungsleiterin Helena „Lenchen” Weniger. Die 78-Jährige steht auf einer roten Matte zwischen ihren kaum jüngeren Damen. Während der Übung wird leise miteinander geredet – auch wenn es heute deutlich ruhiger zugeht als sonst. Lenchen Weniger turnt seit über 50 Jahren jeden Montag mit ihrer Turngruppe. „Ich habe bloß eine Handvoll mal gefehlt”, berichtet sie. Seit dem 7. Januar 1967 ist die Halle in St. Arnold ihr zweites Zuhause – im gleichen Jahr kamen beispielsweise der Disney-Klassiker „Das Dschungelbuch” in die Kinos und der Beatles-Welthit „Penny Lane” in die Charts. Sogar eine Frau „der ersten Stunde” ist noch mit von der Partie. „So einen wunderbaren Zusammenhalt gibt es nur in St. Arnold”, schwärmt Gisela Nitschke. Im Laufe der Jahrzehnte wurde das Training schrittweise angepasst, vor allem der Gang an die Geräte findet mittlerweile nicht mehr statt. „Wir können halt nicht mehr so turnen wie früher, aber die verschiedenen Übungen auf der Matte sind auf alle Fälle gut für uns”, erklärt die Neuenkirchnerin. Und das merkt man während der 60 Minuten – anschließend gibt sie den TeilnehmerInnen noch gerne nützliche Tipps für Zuhause mit.

„Eine starke geschworene Gemeinschaft”

Übrigens trifft sich die muntere Damenriege nicht nur zum Sport. So betonte TuS-Vorsitzender Wilfried Brüning zum 50. Jubiläum: „Unsere Turnerinnen sind eine eingeschworene Gemeinschaft – sozusagen ein Verein im Verein.” Neben zahlreichen sportlichen Aktivitäten, wie zum Beispiel Fahrradtouren, feiern sie auch zusammen runde Geburtstage oder goldene Hochzeiten. „Dort bringt dann auch jeder etwas für ein Buffet mit”, erzählt Lenchen Weniger. „Die Gruppe ist wie eine Familie für mich.” Und die Familie steht bei ihr an erster Stelle. „Ohne das Verständnis meines Mannes und meiner vier erwachsenen Kinder wäre das über die Jahre nicht machbar gewesen”, resümiert die Ehrenamtlerin aus Leidenschaft, die für ihre tollen Damen noch lange fit bleiben möchte.

Text: Sinah Barlog
Fotos: Andrea Bowinkelmann
„Wir im Sport“, Ausgabe 02/2017

Schließlich strukturiert das Sporttreiben den Tag durch regelmäßiges  Üben, Treffen, Verabredung zum gemeinsamen Bewegen. Und die Abwechslung kommt nicht zu kurz: Jede/r kann dabei auch mal laut sein, tiefer (durch-)atmen, lachen und ungewohnte Bewegungen außerhalb der Alltagsgewohnheiten spielerisch ausprobieren. Oder (zwischendurch) den anderen zuschauen, sich gegenseitig anfeuern, ermuntern, beistehen, sich zurücknehmen, aber auch dagegenhalten, Widerstand leisten, sich freuen, wütend werden, sich austauschen, diskutieren, gemeinsam freuen, verlieren und gewinnen.

Bewegung, Spiel und/oder Sport mit Lust betrieben, tun auch der Seele gut. Bewegung wirkt sich positiv auf Psyche und Stimmung aus. Bei Ausdaueraktivitäten, die den Herzschlag beschleunigen, werden nachweislich mehr „Glückshormone“ (Endorphine) im Gehirn ausgeschüttet. In der zweiten Lebenshälfte ist Bewegung eine herausragende Methode, um schleichende körperliche und kognitive Funktionsverluste zu verlangsamen. Körperliche Aktivität kann die Gedächtnisleistungen erheblich verbessern. Auch bei Hochaltrigen lassen sich erstaunliche Trainingseffekte erzielen. „Sport bietet in jeder Lebensphase immer wieder eine neue Chance, in Bewegung zu kommen, auch wenn z.B. vorher aus beruflichen oder familiären Gründen das Sporttreiben vernachlässigt wurde“, verdeutlicht Martin Wonik, Vorstand des LSB NRW. Viele gute Argumente, um sich in den zweiten „Bewegungsfrühling“ hineinzuwagen und die „Kür“ nach der Pflicht der Berufs- und/oder Familienphase zu beginnen.

Bewegung ist auch bei gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Erkrankungen wichtig

Auch für Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen und chronischen Erkrankungen bieten gezielte Bewegungsprogramme die Chance, wieder gesünder und fitter zu werden. Selbst bei schweren Erkrankungen, wie zum Beispiel der Demenz, können Bewegung und Sport dazu beitragen, den Fortschritt der Erkrankung zu mildern und die Lebensqualität so weit wie möglich zu erhalten.

Im Bereich des Rehabilitationssports, der vom Arzt verordnet und von den Kostenträgern bezuschusst wird, gibt es Bewegungs- und Sportangebote für viele Erkrankungsbilder. Je nach Art der vorliegenden Erkrankung kann im Sportverein in speziellen Gruppen unter fachkundiger Anleitung der Übungsleiter/-innen gezielt und behutsam in der Gruppe trainiert werden. Hierzu zählen die bekannten Herzsportgruppen genauso wie Angebote in der Krebsnachsorge oder für Patienten mit neurologischen Erkrankungen. Wo es welche Angebote gibt, können Interessierte ganz einfach in der Onlineplattform: Rehasport-in-NRW.de einsehen oder bei ihrem örtlichen Stadt- oder Kreissportbund erfahren.

Im Bereich der Sport- und Bewegungsangebote für Menschen mit Demenz steht die Entwicklung noch relativ am Anfang. Nach ermutigenden wissenschaftlichen Studien zur Wirksamkeit von bewegungsfördernden Interventionen wurden in den letzten Jahren gezielte Initiativen und Projekte umgesetzt, die den Transfer in die Praxis leisten und Handlungshilfen bieten. Hierzu gehört zum Beispiel das Projekt „Sport für Menschen mit Demenz“, das der Behinderten- und Rehabilitationssportverband NRW gemeinsam mit dem Landessportbund NRW durchgeführt hat.

Bewegung und Sport für Menschen mit Demenz

Bewegung und Sport sind nicht nur ein wesentlicher Faktor im Hinblick auf die Prävention demenzieller Erkrankungen, sondern auch in der Begleitung und Betreuung bereits Erkrankter eine wertvolle Hilfe, um die Lebensqualität zu erhalten und zu verbessern.

Das Modellprojekt „Sport für Menschen mit Demenz“ wurde vom Behinderten- und Rehabilitationssportverband NRW und Landessportbund NRW mit Förderung des Ministeriums für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes NRW (MGEPA) und den Pflegekassen NRW nach dreijähriger Projektlaufzeit Ende 2016 erfolgreich abgeschlossen. Über 1.500 Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen wurden von speziell für diese Zielgruppe geschulten Übungsleiterinnen und Übungsleitern in 75 lokalen Bewegungs- und Sportgruppen bewegt. Das Fazit ist durchweg positiv: „Sport geht eigentlich immer“, so die zentrale Botschaft der wissenschaftlichen Begleitung, die von der Technischen Universität Dortmund übernommen wurde. Diese Erkenntnis und zahlreiche weitere Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung, die unter Leitung von Prof. Dr. Monika Reichert und ihrer wissenschaftlichen Mitarbeiterin, Veronique Wolter, am Institut für Soziale Gerontologie und Lebenslaufforschung erhoben wurden, mündeten in eine praxisbezogene Handlungshilfe für Sportvereine, Pflege und Demenzberatung und eine Praxisbroschüre für Übungsleiter, Helfer und Begleiter. Diese Materialien sollen Sportvereinen und Kooperationspartnern im Demenz- und Pflegebereich und vor allem den Übungsleitungen wertvolle Hilfestellung beim Aufbau neuer Bewegungsangebote für Menschen mit Demenz bieten.  Informationen zum Projekt und weitere Materialien  erhalten Sie unter folgendem Link: www.brsnw.de/demenz.html und unter der unten genannten Kontaktadresse des Landessportbundes NRW

Aktuell läuft an der Deutschen Sporthochschule Köln (DSHS) eine weitere Studie unter dem Titel „Denksport“. Auch hier geht es darum, die Wirkungen und Möglichkeiten von Bewegung und Sport zu erforschen und den Transfer in die Praxis zu leisten. (www.dshs-koeln.de/institut-fuer-bewegungs-und-neurowissenschaft/unsere-forschung/forschungsprojekte/denksport/ )

Jeder Schritt zählt

So wichtig, wie die Angebote im Bereich des Rehabilitationssports auch sind, mindestens genauso wichtig ist es, die präventiven Effekte von Bewegung und Sport zu nutzen, damit Gesundheit, Mobilität und Fitness bis ins hohe Alter erhalten bleiben.

Prof. Dr. med. Klaus Völker, ehemaliger Leiter des Instituts für Sportmedizin der Universität Münster, bringt es auf den Punkt: „Wer regelmäßig Sport treibt, verringert sein Krankheitsrisiko und bleibt auch im Alter leistungsfähig. Für den Start in ein bewegtes Leben ist es nie zu spät. Gerade ältere Neueinsteiger sollten jedoch auf die eigenen Grenzen achten und sich fachkundig beraten lassen.“

Frau auf Pezziball mit HantelnFoto: Andrea Bowinkelmann, LSB NRW.

Ist Sport also die Wunderpille für ein langes Leben? Das wohl kaum. „Allerdings“, so erläutert der Experte, „können die lebenswerten, aktiven Jahre verlängert werden. Der Eintritt von Gebrechlichkeit und Hilfsbedürftigkeit lässt sich nachweislich um 10 oder 15 Jahre hinauszögern.“ Zwei Komponenten sind dabei entscheidend: Ausdauer und Kraft. Ausdauertraining stärkt die Leistungsfähigkeit von Herz-Kreislaufsystem und Stoffwechsel. Um sich jedoch so lange wie möglich selbst versorgen zu können und autonom zu bleiben, ist vor allem Kraft gefragt. Dieser Aspekt, so Klaus Völker, werde gerade von älteren Menschen häufig vernachlässigt. „Auch 90-Jährige können ihre Kraftfähigkeiten zur Bewältigung von Alltagsaktivitäten in sechs Wochen um 180 Prozent verbessern – und beispielsweise wieder ohne Stock gehen. Es lohnt sich immer!“

Das Modellprojekt „Bewegende Alteneinrichtungen und Pflegedienste (BAP)“

Bewegungsförderung spielt nicht nur bei den „fitten“ Älteren eine zentrale Rolle, sondern auch bei hochaltrigen und pflegebedürftigen Menschen. Um diese Zielgruppe stärker in den Fokus zu nehmen, startete der LSB NRW im Juli 2016 das Modellprojekt „Bewegende Alteneinrichtungen und Pflegedienste (BAP)“. Bis März 2019 macht sich das Projekt auf den Weg, Bewohner/-innen von Pflegeeinrichtungen und von Pflegediensten betreute Personen durch spezifische Bewegungsangebote in ihrer Mobilität zu fördern. Möglichst lange mobil und selbstständig zu bleiben, ist ein wichtiger Faktor für die Lebensqualität. Darüber hinaus bedeutet die Teilnahme an Gruppenangeboten für die Bewohner/-innen von  Einrichtungen soziale Teilhabe und Lebensfreude. Ziel des Projektes ist es außerdem, das Konzept der Bewegungsförderung nachhaltig in die Pflegestrukturen in NRW zu integrieren. Zu diesem Zweck werden Übungsleitungen aus dem Sport gemeinsam mit Pflegekräften geschult und erfolgreiche Kooperationen zwischen Vereinen und Einrichtungen durch ein Gütesiegel zertifiziert. 

Weitere Informationen gibt es beim Landessportbund NRW

www.vibss.de/service-projekte/bewegt-aelter-werden/foerderungen-projekte/

Dieser Beitrag ist der Teil der Serie "Fit und aktiv im Alter" (September 2017) des Landessportbund NRW. Autorinnen sind Gudrun Neumann und Anke Borhof.

Letzte Aktualisierung: 28. September 2017

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