Wo stehen Ältere im Netz? Ein Beitrag zur Sonderauswertung Nordrhein-Westfalen – D21-Digital-Index 2018/2019

Seit 2013 ermittelt der D21-Digital-Index jährlich den Digitalisierungsgrad der deutschen Bevölkerung. In einer Sonderauswertung haben die Landesregierung Nordrhein-Westfalen und die Landesanstalt für Medien NRW das digitale Leben der Einwohner*innen in Nordrhein-Westfalen untersuchen lassen. Christine Freymuth, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Kuratorium Deutsche Altershilfe, hat die Ergebnisse der Sonderauswertung nun im Hinblick auf die Situation der älteren Menschen betrachtet.

Digitale Werkzeuge sind aus dem privaten und beruflichen Leben der meisten Menschen nicht mehr wegzudenken, insbesondere in den jüngeren Generationen. Das Internet bietet viele (neue) Möglichkeiten den Alltag zu gestalten, unabhängig davon, wo man sich gerade aufhält und zu welchem Zeitpunkt. Gerade im beruflichen Kontext wurden viele Prozesse digital abgebildet und häufig auch optimiert. Ebenso verhält es sich im privaten Bereich. Die Kommunikation mit Familie und Freunden läuft über Messenger-Dienste, Einkäufe und die entsprechende Bezahlung werden online getätigt und Behördengänge können digital vorbereitet und teilweise auch komplett abgebildet werden. Dies verdeutlicht, dass digitale Werkzeuge die Möglichkeit bieten, Wege zu sparen und von Zuhause aus teilzunehmen und zu partizipieren. Die Vorteile und Chancen werden in den Vordergrund gestellt – für unterschiedlichste Zielgruppen. So kann geschlussfolgert werden, dass digitale Technologien auch für ältere Menschen, die beispielsweise von Mobilitätseinschränkungen betroffen sind, Chancen und Möglichkeiten bieten.

Ältere Menschen und Digitalisierung

Digitale Werkzeuge können Menschen dabei helfen, länger selbstständig in der eigenen Häuslichkeit zu bleiben und zu partizipieren. Insbesondere für ältere Menschen mit besonderen Bedarfen, z.B. einer eingeschränkten Mobilität, können digitale Dienste eine Erleichterung im Alltag bieten. Das Internet ermöglicht es diesen Menschen auch, sich digital zu informieren, zu kommunizieren und zu partizipieren. Alltägliche Aufgaben, wie beispielsweise das Einkaufen, können durch Lieferservices kombiniert mit Bestellungen im Internet trotz eingeschränkter Mobilität gemeistert werden. Weiter kann unabhängig von Zeit und Raum individuellen Bedürfnissen nachgegangen werden, wie der Kommunikation mit Enkel*innen auf einem anderen Kontinent, der Information über politische oder gesellschaftliche Geschehnisse und auch der Teilnahme an Abstimmungsprozessen. Die Digitalisierung beinhaltet nicht nur Neuerungen, sondern auch die Abbildung analoger Prozesse in der digitalen Welt.

Wenn von älteren Menschen und der Digitalisierung gesprochen wird, fällt sehr schnell der Begriff des Zugangs. Was ist damit gemeint? Älteren Menschen fehlt häufig – im Gegensatz zu jüngeren Generationen – der Zugang zu digitalen Themen, da die alltäglichen digitalen Begegnungsräume fehlen und nicht mehr Teil des Lebens sind. Menschen, die noch im Berufsleben stehen, setzen sich in der Regel im beruflichen Kontext mit digitalen Werkzeugen auseinander. Zugänge für ältere Menschen, die aus dem Beruf ausgestiegen sind, müssen künstlich geschaffen und ermöglicht werden, sodass digitale Anwendungen überhaupt nutzbar und erfahrbar werden.

Zwischen Wunsch und Wirklichkeit – Nutzen ältere Menschen das Internet?

Theoretisch können digitale Entwicklungen also auch für ältere Menschen Chancen und Möglichkeiten bieten – aber wie sieht das in der Praxis aus? Nutzen ältere Menschen digitale Werkzeuge tatsächlich? Auf Basis des D21-Digital-Index wird versucht, diese Frage zu beantworten.

Auf den ersten Blick ist ersichtlich, dass in Nordrhein-Westfalen über den Zeitverlauf hinweg die Anzahl derer, die das Internet nutzen, deutlich zugenommen hat: 2001 waren es lediglich 38 Prozent, bis 2018 stieg die Zahl auf 84 Prozent. Bei genauerer Betrachtung zeigt die Sonderauswertung für Nordrhein-Westfalen deutlich, dass die darin enthaltenen Menschen sich bezüglich bestimmter Merkmale unterscheiden. Die soziodemografischen Merkmale haben einen Einfluss darauf, wie die Internetnutzung einer Person ausfällt – insbesondere das Alter.

In den Altersgruppen bis 64 Jahre nutzen mindestens 9 von 10 Personen persönlich (beruflich und/ oder privat) das Internet, ab 65 Jahre nur noch knapp jede*r Zweite. Werden die Nutzendenzahlen von 2017 mit den Zahlen von 2018 verglichen, hat auch in der Gruppe der 65+-Jährigen eine Steigerung um drei Prozent stattgefunden. Nichtdestotrotz ist eine digitale Schere zwischen den älteren Menschen (65+) und den jüngeren Generationen nicht von der Hand zu weisen. Dieser Unterschied wird ebenfalls bei der Betrachtung der mobilen Internetnutzung deutlich. Nur etwa jede*r Dritte (Ü65) nutzt über das Mobilfunknetz das Internet, während die Zahlen in de Altersgruppen von 14 bis 49 Jahren bei mindestens 90 Prozent, und in der Gruppe von 50 bis 64 Jahren bei etwa drei Viertel liegen.

Insgesamt lässt sich somit festhalten, dass eine große Zahl von Offlinern zur Gruppe der älteren Menschen gehört. Was müsste sich ändern, damit diese Menschen an der Digitalisierung teilnehmen? Die Auswertung zeigt folgende Top-Motivationen, die eine zukünftige Internetnutzung bestärken würden:

Wenn…

  • … ich einen klaren Nutzen für mich erkennen würde.
  • … die Nutzung einfacher wäre.
  • … mir jemand zeigen würde, wie es funktioniert.
  • … ich wüsste, wie ich meine persönlichen Daten (besser) schützen kann.
  • … ich die Fachbegriffe und Funktionen besser verstehen würde.
  • … ich im Netz weitestgehend anonym bleiben könnte.

Es ist anzumerken, dass diese Frage nicht unter Berücksichtigung der einzelnen Altersgruppen abgefragt wurde, sondern für alle Offliner gilt, unabhängig von soziodemografischen Merkmalen.

Offlinern fehlt häufig der Anreiz, dass Internet zu nutzen. Für sie ist kein Mehrwert bzw. Nutzen ersichtlich. Die Personen, die sich für die Nutzung des Internets entschieden haben, sehen sie sich einer weiteren Hürde gegenüber: Wer erklärt mir das Internet? Die Bedienung ist gerade für ältere Menschen nicht selbsterklärend, sodass Unterstützungsbedarf dabei besteht. Wird die benötigte Hilfe nicht gegeben, werden die von Unsicherheit und Verständnisproblemen betroffenen älteren Menschen das Internet nicht nutzen.

Was machen ältere Menschen im Netz?

Neben der Frage nach den Offlinern, steht die Frage nach den Personen, die das Internet nutzen, im Raum. Wozu nutzen diese das Internet?

Die Top 10 Anwendungen sind über alle Altersgruppen hinweg gleich:

  1. In Suchmaschinen nach Inhalten und Informationen suchen,
  2. Instant-Messaging-Dienste wie WhatsApp, Threema, Telegram,
  3. Online-Shopping, d. h. Waren im Internet kaufen,
  4. Office-Programme nutzen,
  5. Online bezahlen,
  6. Kartendienste/Navigationssysteme nutzen,
  7. Computerspiele spielen oder Spiele-Apps nutzen,
  8. On-Demand-Dienste oder Streaming nutzen,
  9. Dienstleistungen online bestellen oder buchen und
  10. Sprachsteuerung nutzen.

Aber auch hier wird die digitale Schere deutlich, wenn die Nutzendenzahlen pro Altersgruppe betrachtet werden. 92 Prozent der Generation 14 bis 29 Jahre nutzen Suchmaschinen, um digital nach Inhalten und Informationen zu recherchieren. In der Altersgruppe Ü65 sind dies lediglich 42 Prozent, somit weniger als die Hälfte. Noch deutlicher wird es bei den dahinterliegenden Anwendungen, die von weniger als 20 Prozent der über 65-jährigen Personen genutzt werden.

Der Digitalisierung wird gerade im Bereich der Kommunikation eine Vielzahl an neuen Möglichkeiten zugeschrieben. Menschen können über weite Distanzen kommunizieren und dazu die unterschiedlichsten Formate nutzen, wie Text, Bild, Video oder Sprachnachrichten. Das meistgenutzte soziale Medium bzw. Netzwerk ist WhatsApp. In den jüngeren Generationen (U65) wird der Messenger-Dienst von mindestens jeder zweiten Person genutzt, in der Gruppe Ü65 lediglich von etwa jeder fünften Person.

Digitale Kompetenzen der älteren Menschen

Die Sonderauswertung des D21 Digital Index für Nordrhein-Westfalen enthält weiter Ergebnisse zu der Frage nach den digitalen Kompetenzen der Bevölkerung. Hier ist ersichtlich, dass die älteren Menschen deutlich weniger Kenntnisse von digitalen Begriffen haben als die jüngeren Generationen. Weniger als ein Drittel der Älteren weiß in etwa, was Begrifflichkeiten wie beispielsweise Cloud und Künstliche Intelligenz bedeuten.

Ähnlich verhält es sich mit den digitalen Kompetenzen älterer Menschen, die sich auf standardmäßige Computeranwendungen beziehen. 66 Prozent der Bevölkerung Nordrhein-Westfalens sind in der Lage, Daten wie Fotos von einem Gerät auf ein anderes zu übertragen. In der Altersgruppe der über 65-Jährigen halbiert sich die Zahl auf etwa 31 Prozent.

Den dritten Bereich der betrachteten digitalen Kompetenzen stellen die Internetanwendungen dar. Suchen im Internet gehören heute zum täglichen privaten und beruflichen Leben dazu. 74 Prozent der nordrhein-westfälischen Bevölkerung können eine solche Internetrecherche durchführen. Bei der Betrachtung der einzelnen Altersgruppen wird deutlich, dass lediglich 40 Prozent, somit weniger als die Hälfte der Personen über 65, dazu in der Lage sind. Die Zahl der älteren Personen, die weitere Internetanwendungen wie beispielsweise das Einstellen von Inhalten in sozialen Netzwerken oder das Bezahlen mit dem Smartphone nutzen können, fällt nochmal deutlich geringer aus.

Darüber hinaus spielt Wissen, welches sich auf Sicherheit und Eigenschutz im Internet bezieht, eine große Rolle. Auch hier ist ein deutliches Wissensdefizit der älteren Menschen im Vergleich zu jüngeren Generationen sichtbar. Mehr als 8 von 10 Personen der Altersgruppen unter 65 Jahre wissen, dass Internetdienste die persönlichen Daten an andere Firmen weitergeben. Dieses Wissen besitzen lediglich weniger als die Hälfte der über 65-jährigen Menschen in Nordrhein-Westfalen. Dies bezieht sich ebenfalls auf folgende Aspekte:

  • Nutzung von Antivirensoftware,
  • sparsame Nutzung von persönlichen Daten im Internet (Datenschutzgründe),
  • Unterscheidung von seriösen und unseriösen Nachrichten und
  • Passwortschutz.

Bezüglich der digitalen Kompetenzen ist deutlich geworden, dass die Kenntnisse und das Wissen zu den Themen Digitalisierung und Internet zugenommen haben. Jedoch sollten hier keine falschen Schlussfolgerungen gezogen werden: Die Betrachtung der einzelnen Altersgruppen zeigt deutlich, dass die ältere Generation (Personen über 65 Jahre) im direkten Vergleich zu jüngeren Altersgruppen deutlich abgehängt ist. Die Altersgruppe besitzt deutlich weniger digitale Kompetenzen als die Gruppe der jüngeren Menschen.

Insgesamt ist hier festzuhalten, dass knapp die Hälfte der befragten Personen über 65 Jahre angibt, dass die einzelnen Aspekte der täglichen Mediennutzung für sie nicht relevant sind. Dies zeigt deutlich, dass das Interesse an der Internetnutzung bzgl. der genannten Aspekte nicht sehr ausgeprägt ist und der Nutzen nicht erkannt wird. Dies kann damit zusammenhängen, dass die Dynamik und Komplexität der Digitalisierung die Menschen überfordert. Dieser Aussage stimmen 42 Prozent der 65+ Jahre alten Personen zu.

Offenheit der älteren Menschen

Im D21-Digital-Index wird weiter die Offenheit der Bevölkerung gegenüber bestimmten digitalen Aspekten beobachtet.

Allgemein geben in Nordrhein-Westfalen 46 Prozent aller befragten Personen an, ein Interesse daran zu haben, ihr Wissen bezüglich des Internets und digitalen Techniken weiter auszubauen. In der Altersgruppe Ü65 fällt dieses Interesse mit lediglich 22 Prozent deutlich geringer aus. Gleichsam geben knapp die Hälfte aller älteren Befragten an, dass sie bei der Nutzung digitaler Geräte (Laptop, Smartphone, Apps) an ihre Grenzen stoßen. Dies verdeutlicht die Problematik, dass häufig die Personen, die mit den digitalen Anwendungen überfordert sind, kein Interesse daran haben, ihr Wissen auszubauen. Inwiefern sich dies bedingt, bleibt im Detail zu prüfen und kann innerhalb dieser Studie nicht beantwortet werden.

Allgemein wird davon ausgegangen, dass die Digitalisierung die Möglichkeit beinhaltet, sich aktiver in gesellschaftliche und politische Prozesse einzubringen und zu partizipieren, beispielsweise durch Online-Petitionen. Die Studie zeigt jedoch, dass diese Chance nur von weniger als 30 Prozent als solche wahrgenommen wird. In der Altersgruppe Ü65 sieht lediglich jede zehnte Person das Internet als Möglichkeit, sich gesellschaftlich und politisch aktiver einzubringen.

Warum Nutzen ältere Menschen das Internet nicht?

Warum sind etwa 7,5 Millionen Menschen über 70 Jahre offline? Diese Frage versucht Prof. Dr. Kubicek (2017) durch die Benennung unterschiedlicher Barrieren zu beantworten. Lebenssituation fallen unterschiedlich aus und entsprechende Barrieren, die die Internetnutzung beeinflussen können, auch. Zum einen trauen sich viele Menschen nicht zu, sich in der digitalen Welt bewegen zu können und entsprechende Kompetenzen zu gewinnen. Diese Denkweise kann durch körperliche und geistige Einschränkungen verstärkt werden. Diese können u.a. dazu beitragen, dass keine öffentlichen Lernorte aufgesucht werden. Einige ältere Menschen trauen sich leichtere Anwendungen zu, wie beispielsweise das Schreiben einer E-Mail, komplexere Dienste wie das Online-Banking jedoch nicht mehr.

Weiter benennt Prof. Dr. Kubicek eine finanzielle Barriere – Interesse besteht, aber finanzielle Mittel fehlen. Andere sehen schlichtweg keinen Bedarf und sind auch nicht motiviert, das Internet und entsprechende Anwendungen auszuprobieren.

Es wird deutlich, dass teilweise ein Interesse am Internet besteht, aufgrund unterschiedlicher Barrieren jedoch keine Nutzung stattfindet. Aber wie können diese Menschen an das Internet herangeführt werden und die entsprechenden Barrieren und Hürden überwunden werden? Für die Zukunft gilt es, auf diese Frage eine Antwort zu finden.

Die BAGSO hat in der Vergangenheit ein Positionspapier verfasst, welches bei der Beantwortung der Frage(n) mitgedacht werden sollte. Die Frage nach den Zugängen wird in diesem Kontext eine zentrale Rolle einnehmen. Nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben fallen digitale Begegnungsräume weg, die für jüngere Generationen zum Alltag dazugehören. Es ist notwendig, diese Räume zu schaffen, um einen Austausch und Diskurs zu digitalen Themen anzuregen und die älteren Menschen zu befähigen, sich souverän in der digitalen Welt bewegen zu können.

Die Ergebnisse der Studie zeigen auch für Nordrhein-Westfalen, dass noch viel Aufklärungs- und Unterstützungsarbeit zu leisten ist, um die digitale Welt für die gesamte Gruppe der älteren Menschen zugänglich zu machen. Eine Herausforderung ist es beispielsweise, den Menschen einen Mehrwert der Internetnutzung aufzuzeigen und gleichzeitig über Herausforderungen zu informieren. Ziel ist es nicht, alle Menschen in die digitale Welt zu entführen, sondern Chancen und Herausforderungen aufzuzeigen, sodass eine Entscheidung für oder gegen das Internet nicht aufgrund von Unwissenheit und Unsicherheit getroffen wird, sondern eine bewusste Entscheidung auf Basis digitaler Kenntnisse ist.

Quellen:

Kubicek, Herbert/ Lippa, Barbara (2017): Nutzung und Nutzen des Internets im Alter. Empirische Befunde zur Alterslücke und Empfehlungen für eine responsive Digitalisierungspolitik, VISTAS Verlag.

D21-Digital-Index 2018/2019: Jährliches Lagebild zur Digitalen Gesellschaft; Eine Studie der Initiative D21, durchgeführt von Kantar TNS

Sonderauswertung Nordrhein-Westfalen D21-Digital-Index 2018/2019

BAGSO Positionspapier: Ältere Menschen in der digitalen Welt

Die Studienergebnisse der Sonderauswertung für Nordrhein-Westfalen sind ab sofort auf der Seite der Landesanstalt für Medien NRW abrufbar.

Eine Pressemitteilung der Landesanstalt für Medien über die Sonderauswertung für NRW, hat das Forum Seniorenarbeit NRW bereits in einem Beitrag veröffentlicht.

 

Letzte Aktualisierung: 27. August 2019

Teile diesen Beitrag: