Impulsvortrag: Ein Blick in die Zukunft „Nachbarschaftsarbeit 2030 – Was erwartet uns?“
Frau Renyi, Mitglied des kooperativen Promotionskollegs der Hochschule Furtwangen, rundete die beiden Tage durch ihren Ausblick in die Zukunft der Nachbarschaftsarbeit ab.
Die Debatten um die Auswirkungen des demografischen Wandels haben das Interesse an Nachbarschaftsarbeit in den letzten Jahren stark befeuert. Viele Menschen haben den Wunsch in der gewohnten Umgebung zu altern. Dieser Wunsch ist ein Motor für die Quartiersentwicklung hin zu sorgenden Gemeinschaften, die sich füreinander engagieren und gegenseitig unterstützen. Der Digitalisierung werden hierbei großes Potenzial bei der Initiierung und Etablierung solcher „Caring Communities“ zugesprochen. Lokale Beziehungen können durch digitale Kommunikation aufgebaut, erhalten und gestärkt werden. Die Möglichkeiten digitaler Technologien zu diesem Zweck sind vielfältig.
Ist die Gesellschaft bereit für den digitalen Wandel hin zur Nachbarschaftsarbeit 4.0? Wie wird sich die Beziehungspflege und Organisation von Nachbarschaftshilfe in Zukunft ändern? Diesen und anderen Fragen ging der Vortrag nach um Impulse für nötiges Umdenken und Handeln zu setzen.
Innerhalb ihrer Einleitung verwies Frau Renyi u.a. auf den 8. Altersbericht Ältere Menschen und Digitalisierung der Bundesregierung, der sich insbesondere auch auf sozialen Teilhabe, der Gestaltung von sozialen Beziehungen im Alter, auf die Quartiers- und Sozialraumentwicklung und die Gestaltung von Hilfestrukturen bezieht.
Im Mittelpunkt ihres Impulses stand thematisch insbesondere die Frage, welche Erfahrungen mit Quartiersplattformen vorliegen. Hier wurden folgende Aspekte betrachtet:
- Zielgruppen,
- Anbindung an bestehende Strukturen,
- Onboarding und Inhalte,
- Rolle des Kümmerers,
- Abgrenzung zwischen Angeboten und
- Forschungskontext.
Zielgruppen
Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass nicht alle Zielgruppen in einem Quartier mittels Quartiersplattform gleich gut erreicht werden können. Die Personen – häufig ältere Menschen – die sich gar nicht in der digitalen Welt bewegen, werden nicht automatisch eine digitale Plattform nutzen. Hier ist es wichtig, sich an der Zielgruppe der älteren Menschen bzw. Menschen ohne Interneterfahrung zu orientieren. Möglichkeiten hierfür sind beispielsweise eine barrierefreie Nutzung, Lernangebote und das Bereitstellen der benötigten Techniken. Es bleibt anzumerken, dass eine Orientierung an einer bestimmten Zielgruppe zur Konsequenz haben kann, dass eine andere Gruppe sich weniger angesprochen fühlt.
Anbindung an bestehende Strukturen
Bei der Einführung von digitalen Ideen, wie der Quartiersplattform, ist es wichtig, bestehende Strukturen und Abläufe zu berücksichtigen und bestenfalls in die Entwicklung der Plattform einzuarbeiten bzw. hinzuzunehmen. Wichtig ist es, die Multiplikatoren und Institutionen vor Ort einzubinden, gleichsam auch die Bewohner*innen. Eine partizipative Ausgestaltung kann die Akzeptanz erhöhen. Mit der Einbettung in bestehende Strukturen können aber auch Herausforderungen einhergehen, da in der Regel einige Veränderungsprozesse bei der Einführung einer neuen Plattform notwendig sind. Dies kann zum Beispiel die bestehende IT-Infrastruktur betreffen.
Onboarding und Inhalte
Die Einführung neuer Inhalte oder Ideen (Onboarding) innerhalb einer Organisation, einer Institution, eines Vereins oder einer Kommune kann eine Herausforderung darstellen. Schafft man es, für die Multiplikatoren Anreize zu schaffen und Mehrwerte für die Arbeit zu vermitteln, ist ein erster Schritt in die richtige Richtung getan.
Neben der Gewinnung von Befürworter*innen bzw. Nutzer*innen spielt das Einpflegen von Inhalten eine wichtige Rolle. In der Regel werden weniger Inhalte von älteren Menschen generiert. Daher ist eine aktive Moderation durch die Initiatoren und Multiplikatoren notwendig und Erfolg versprechend. Ein „Grundrauschen“ an Interaktion sollte immer gegeben sein.
Rolle des Kümmerers
In Arbeitsbereichen, die vielfältig – zumindest auch teilweise – auf ehrenamtlichen Strukturen aufgebaut sind, braucht es Kümmerer, die Projekte und Ideen begleiten und aufrechterhalten. Häufig handelt es sich um Menschen, die persönlich motiviert sind – Moderator*innen, Netzwerkarbeiter*innen und Gestalter*innen. Wichtig ist hier, dass der Einsatz von Nachbarschaftsportalen und -Plattformen als Werkzeuge und nicht als Lösung verstanden werden. Oftmals kommt es vor, dass die benötigten Ressourcen für die Implementierung und Begleitung solcher digitaler Werkzeuge unterschätzt wird. Der zeitliche Aufwand wird falsch eingeschätzt und die Betreuung des Portals muss neben den anderen bestehenden Aufgaben noch gestemmt werden.
Abgrenzung zwischen Angeboten
Das Beleben von digitalen Angeboten, wie beispielsweise einer Nachbarschaftsplattform, kann in Konkurrenz zu bestehenden Projekten bzw. Kanälen stehen. Weiter lassen sich Nachbarschaftsportale voneinander abgrenzen, beispielsweise bezüglich der Reichweite. Es gibt globale und regionale Plattformen mit entsprechenden Vor- und Nachteilen. Bei der Entscheidung für ein regionales Angebot ist es wichtig, den Mehrwert transparent zu machen. Hierzu können lokale Steuerung und Datensparsamkeit gehören.
Forschungskontext
Bisherige Erfahrungen zeigten, dass ein Forschungskontext nicht immer dazu beiträgt, dass die Akzeptanz digitaler Projekte bzw. das Interesse daran steigt (Stichworte: Übersättigung durch Befragungen, Projektitis). Bürger*innen beteiligen sich vermehrt, wenn die Idee nachhaltig angelegt ist und nicht nur über eine bestimmte Projektlaufzeit hinweg betreut wird.
Wie wird die Nachbarschaftsarbeit 2030 aussehen? Die Beantwortung dieser Frage ist nicht einfach. Eins ist jedoch klar: wenn wir uns die schnelle Entwicklung der Digitalisierung in den letzten Jahren anschauen ist davon auszugehen, dass sich dies zukünftig nicht ändern wird. Wir werden uns wahrscheinlich nicht von A nach B beamen können, doch wird es sicherlich neue Kommunikationskanäle und -Werkzeuge geben. Auch in der Robotik wird sich einiges getan haben. Wir sind jetzt schon in vielen Bereichen der Digitalisierung sweiter, als viele Menschen denken.
Für die Zukunft gilt bezüglich Digitalisierung und Sozialraum also das, was auch heute schon gilt: Wichtig wird es sein, …
- Menschen zu befähigen, die digitalen Werkzeuge nutzen zu können,
- Digitalisierung zu nutzen, um die soziale Interaktion zu unterstützen,
- sich am Gemeinwesen zu orientieren (Partizipation, Solidarität) und
- digitale Techniken einzusetzen, um die Versorgung der Menschen vor Ort sicherzustellen (Bedarfsgerechte Gestaltung von Angeboten, digitale Vernetzung, digitale Koordination).
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Kurzvita Madeleine Renyi
Madeleine Renyi absolvierte ein Studium zur Medizintechnikerin an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg von 2006 bis 2011. Nach erfolgreichem Abschluss des Masterstudiums arbeitete sie von 2011 bis 2013 als Softwareentwicklerin in der Automobilindustrie bei der Firma Marqurardt in Rietheim und konnte so ihren Horizont in der Software-Entwicklung erweitern. Seit Juli 2013 arbeitet sie an der Hochschule Furtwangen als wissenschaftliche Mitarbeiterin und erforscht Fragestellungen in Bezug auf die sozialraumorientierte Versorgung älterer Menschen. Als Promotionsstudentin ist sie seit Juli 2017 im Fachbereich Wirtschaftsinformatik und Unternehmensrechnung der Universität Osnabrück bei Prof. Frank Teuteberg angenommen und offizielles Mitglied des kooperativen Promotionskollegs der Hochschule Furtwangen.
Weiteres zur Frühjahrsakademie
Gesamte Dokumentation der Frühjahrsakademie 2020 (wird kontinuierlich ergänzt)
Informationen rund um die Frühjahrsakademie des Forum Seniorenarbeit NRW
Letzte Aktualisierung: 7. April 2020