Einführung digitaler Werkzeuge in der Senior:innenarbeit

Hinweise und zu berücksichtigende Aspekte in der Zusammenarbeit mit älteren Engagierten

Die Einführung und Nutzung digitaler Werkzeuge in der Senior:innenarbeit und insbesondere in der Zusammenarbeit mit älteren Engagierten unterscheidet sich von anderen Arbeitsfeldern und dem Erwerbsleben. Unterschiedliche Lernbiografien und Motive für das Engagement müssen berücksichtigt werden, um digitale Werkzeuge nachhaltig und erfolgreich – im Sinne ihrer Nutzung und Akzeptanz – zu implementieren.

Auch wenn viele ältere Menschen heutzutage ein Smartphone zur Verfügung haben, ist es bei ihnen nicht zwingend in jede Lebenssituation eingebunden und/oder wird 24 Stunden am Tag mitgeführt. Auch das Kommunikationsverhalten ist anders (kritischer). So reagieren viele ältere Menschen nicht unmittelbar auf eine eingehende Textnachricht oder prüfen mehrmals am Tag ihr E-Mailpostfach. Zu viele Nachrichten werden häufig als störend oder überfordernd empfunden und ignoriert.

Für eine Organisation oder Gruppe bedeutet dies, dass es Regeln und Absprachen benötigt, wie wir miteinander kommunizieren und was daraus resultiert. Also nicht, wer zuerst reagiert „bekommt den Zuschlag“, sondern es wird eine an die Lebensumstände angepasste Reaktionszeit vereinbart, eingeplant und zielgerichtet kommuniziert.

Lernen im Alter

Damit digitale Instrumente von älteren Menschen akzeptiert werden, bedarf es in der Regel einer Überzeugungsarbeit. Sie müssen den Nutzen und die Relevanz für den eigenen Alltag erleben. Bezogen auf den Engagementalltag bedeutet das beispielsweise, weniger Formalia und Bürokratie, leichtere Abstimmungsprozesse, mehr Partizipation oder auch mehr Zeit und finanzielle Entlastung für die Ausübung des Engagements.

Die Einführung digitaler Werkzeuge ist immer auch ein Lernprozess für die Engagierten. Nicht nur der Umgang mit der Technik, sondern in der Regel auch die sich dadurch verändernden Abläufe stellen eine Herausforderung dar. Es wird immer wieder Fälle geben, in denen sehr schnell auf liebgewonnene Gewohnheiten zurückgegriffen wird. Diese Fälle müssen aufgegriffen und reflektiert werden. Insbesondere am Anfang kostet es häufig mehr Zeit Neues zu erlernen.

Lernen fällt leichter, wenn sie (und wir) es mit anderen gemeinsam tun. Wir benötigen das Gespräch als Feedback-Kanal, um das Gelernte zu überprüfen und ggf. aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Wir benötigen schnelle Lernerfolge, also kleine Schritte (und Wiederholungen), um mit Enthusiasmus und Engagement bei der Sache zu bleiben.

Es spielt aus unserer Sicht eine große Rolle, dass Gelerntes „mit nach Hause“ genommen werden kann. Wir empfehlen, sofern es möglich ist, mit den Menschen an ihrer eigenen Technik zu arbeiten. Technische Arbeitsumgebungen sind so individuell, dass der Transfer auf die eigene Situation schwerfällt, wenn an „fremden“ Geräten gelernt wird.

Für die Zusammenarbeit mit älteren Engagierten werden Lernorte und -formate benötigt, die die fehlende „Fünf-Minuten-Pause“ (in der Schule) oder die Kolleg:innen auf der Arbeit ersetzen. Orte, an denen in einem geschützten Rahmen vermeintlich einfache Fragen gestellt werden dürfen und auch mal etwas ausprobiert werden kann. Eine angenehme und vertrauensvolle Lernatmosphäre hängt wesentlich von der Kultur der Organisation und den beteiligten Personen ab.

Um Überforderung zu vermeiden, sollten Dienste nicht permanent gewechselt werden oder zu viele parallel eingeführt werden. Der Fokus sollte auf den Dingen liegen, die die älteren Engagierten als für Ihr Engagement nützlich finden und nacheinander eingeführt werden. Es kann auch ratsam sein einmal etwas länger an einem einzelnen Werkzeug festzuhalten, auch wenn dieses nicht alle neuesten Funktionen unterstützt.

Grundsätzlich gilt, sich dem Lerntempo der Gruppe der Engagierten anzupassen, immer wieder Neues auszuprobieren, zu trainieren und zu wiederholen. Es sollte auch immer eine Person zur Verfügung stehen, die bei technischen Fragen und Problemen hilft. Aus der gemeinsamen Lösung eines Problems entsteht ein Lernerfolg.

Um insbesondere die ersten Schritte gemeinsam gehen zu können, lohnt es sich, eine Befragung in der Gruppe zu machen und ggf. auf Dienste zu setzen, die in einer ähnlichen Form zumindest einem Teil der Gruppe bekannt sind.

Motive für Engagement berücksichtigen

Die Engagementforschung beschreibt in Hinblick auf die Motive von älteren Engagierten immer wieder, dass der soziale Kontakt einer der wichtigsten Beweggründe ist. Ältere möchten etwas mit anderen gemeinsam machen, sich weiterentwickeln und gleichzeitig der Gesellschaft etwas zurückgeben. Anders als bei jungen Engagierten ist das Engagement der älteren häufig längerfristig. Gleichzeitig ist der Wunsch zum generationenübergreifenden Kontakt hoch.

Es ist demnach wichtig, mit der Einführung digitaler Werkzeuge diese Motive zu berücksichtigen und nicht den Eindruck entstehen zu lassen, es ginge ausschließlich um die Optimierung von Prozessen und Kostensenkung. Wir müssen die Bedenken, Ängste und Befürchtungen ernst nehmen und diese aufgreifen, um am Ende vielleicht sogar neue Kommunikationswege und soziale Beziehungen (auch generationenübergreifend) in der Gruppe der Engagierten zu ermöglichen.

Bevor es los geht

Die Auswahl der richtigen Werkzeuge ist, wie oben bereits angesprochen, ein zentraler Punkt. Die wenigsten Organisationen und Einrichtungen werden ihren Engagierten eigene Hardware zur Verfügung stellen können. Von daher muss die Software auf den Geräten, die die Menschen zur Verfügung haben, lauffähig sein. Es sollte also geprüft werden, ob es Apps für die gängigen Betriebssysteme und ggf. auch Versionen, die über den Browser nutzbar sind, gibt.

Es kann aber Situationen geben, in denen Menschen keine oder zu alte Hardware zur Verfügung haben. Hier ist die Organisation gefordert diesen Menschen entsprechende Alternativen, z.B. durch Leihgeräte (inkl. Mobilfunk), bereit zu stellen oder zu bezuschussen. Es ist wichtig, dass alle mitmachen können.

Sollte es Menschen geben, die, aus welchen Gründen auch immer, nicht teilnehmen können, bieten Sie diesen Personen beispielsweise ein Patensystem an oder arbeiten Sie für einen Übergangszeitraum zweigleisig (analog und digital). Ggf. kann es auch von Vorteil sein ein Werkzeug zunächst in Projektform mit einer kleinen Gruppe zu testen und regelmäßig Bericht zu erstatten, wie es vorangeht und welche Erfolge erzielt wurden.

Transparenz schaffen

Die Einführung digitaler Werkzeuge sollte zu mehr Transparenz und nicht zu neuen undurchsichtigen Kommunikationswegen führen. Damit ist konkret gemeint, dass alle relevanten Informationen zur Ausübung des jeweiligen Engagements allen zur Verfügung stehen.

Hierzu eignet sich beispielsweise ein Gruppen- und oder Organisations-internes Wiki (oder anderes frei zugängliches und leicht zu pflegendes Dokument) in dem alle wichtigen Abläufe und Ansprechperson aktuell aufgeführt werden. Aber auch ein Gruppen-interner Kalender führt zu mehr Transparenz.

Insbesondere wenn die Gruppe später neue Mitglieder bekommt oder Personen wechseln, macht es diesen den Einstieg leichter. Die von Anfang an Beteiligten werden aber auch sehr schnell den Nutzen erkennen und diese neue Form der Orientierung zu schätzen lernen.

Technik unterliegt in der Regel permanenten Veränderungen. Insbesondere wenn Drittanbieter-Dienste verwendet werden, kommen neue Funktionen hinzu oder vorhandene werden optimiert. Diese sollten thematisiert werden. Viele Engagierte reagieren auf solche Veränderungen mit Verunsicherung. Auch hier ist es sinnvoll Hilfestellungen zu leisten und transparent zu kommunizieren.

Hauptamtliche und Verantwortung tragende Personen nicht vergessen

Insbesondere in Organisationen und Einrichtungen spielen die hauptamtlichen Personen bei der Einführung digitaler Techniken eine wesentliche Rolle. Bürgerschaftliches Engagement mit Technikbezug darf nicht sich selbst überlassen werden. Hauptamtliche Personen sind das Bindeglied zu den Engagierten und vertreten gleichzeitig die Organisation. Es ist notwendig den Rahmen, in dem Technik genutzt wird zu begleiten und gleichzeitig auch vorbildhaft mitzuwirken. Sie sind in der Startphase auch der erste Ansprechpartner für Fragen und Probleme. Im Prozess der Auswahl und Einführung sind sie damit beauftragt die Interessen der Organisation zu berücksichtigen, den rechtlichen Rahmen abzusichern und ggf. die Ressourcen bereitzustellen.

Insbesondere in Bezug auf Fragen des Datenschutzes und der Rechtssicherheit müssen ggf. weitere Instanzen der Organisation hinzugezogen werden.

Manchmal passiert es auch, dass mit dem Wechsel einer hauptamtlichen oder ehrenamtlichen Person digitale Infrastruktur nicht mehr nutzbar ist. Daher sollte die Verantwortung für Zugänge und Konfiguration möglichst auf mehrere Schultern verteilt werden.

In ähnlicher Weise gelten obige Aspekte auch für ehrenamtlich geführte Vereine oder selbstorganisierte Gruppen.

Fazit

Bei der Einführung digitaler Werkzeuge im Freiwilligenmanagement mit älteren Engagierten sollten verschiedene Aspekte berücksichtigt werden. Der Mehrwert für den Nutzen der Personen ist zentraler Erfolgsfaktor. Mögliche Stolpersteine sollten von vorneherein bedacht und die Beteiligten von Anfang an mitgenommen werden. Der Lernprozess erfordert Ressourcen, die bereit gestellt werden müssen (Zeit, Qualifizierung und. ggf. auch Geld für Hard- und Software).

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Dieser Beitrag ist Teil des Themenmonats 12/2022 "Engagement in der Senior:innenarbeit digital stärken".

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