„Lebensqualität im Alter oder bei Pflegebedürftigkeit hängt ganz entscheidend davon ab, ob Menschen ihre Lebensentwürfe selbst bestimmen können. Wir brauchen deshalb eine Quartiersentwicklung in den Städten und Gemeinden, die den Belangen der Menschen gerecht wird und zukunftsfähig ist.“
(MGEPA 2013: Masterplan altengerechte Quartiere.NRW)
Das Landesbüro altengerechte Quartiere.NRW, das im Auftrag des Ministeriums für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen arbeitet, geht nach seiner Gründung 2012 in die nächste Runde: Weitere (mindestens) drei Jahre berät und unterstützt das Büro aus Bochum Kommunen, Initiativen und Akteure praxisorientiert bei der Entwicklung altengerechter Quartiere. Es ist Teil des Masterplans altengerechte Quartiere.NRW, den die Landesregierung 2013 herausgegeben hat, und der, ausgehend von den Bedarfen der Menschen, den Erhalt der Selbstbestimmung als wichtigen Maßstab für ein zufriedenes Leben im Alter definiert hat.
Altern im Quartier
Die Gruppe der älteren bis hochaltrigen Menschen kann nicht als eine einheitliche Gruppe beschrieben werden. Im Gegenteil – auch oder gerade im Alter sind die Wünsche, Bedürfnisse und Anforderungen an ein lebenswertes Leben sehr vielschichtig und unterschiedlich. In Einem sind sich aber fast alle älteren Menschen einig: Der Wunsch nach einem langen selbstbestimmten Leben im gewohnten Lebensumfeld. Das gilt auch bei Krankheit, Behinderung oder altersbedingten Einschränkungen und zwar, soweit es irgendwie möglich ist, bis zum Lebensende.
Um möglichst vielen Menschen diesen Wunsch zu erfüllen, sind entsprechende Strukturen notwendig. Das schließt die Wohnung und das Haus ein, Angebote zur Versorgung im näheren Umfeld, aber auch die Begegnung mit anderen Menschen, sowie die Möglichkeit zur Teilhabe. In vielen Ortsteilen ist der lebenslange Verbleib in der einmal bezogenen Wohnung nicht ohne weiteres möglich, da das Umfeld nicht entsprechend entwickelt und selten ausreichend an den Bedürfnissen sowie Fähigkeiten der Älteren orientiert ist.
Der Masterplan altengerechte Quartiere.NRW greift diesen Umstand auf und bietet den Akteuren vor Ort vielfältige Informationen, konkrete Unterstützung, sowie praxisnahe Anregungen zur Entwicklung und Gestaltung altengerechter Quartiere an.
Altengerechte Quartiersentwicklung verfolgt u.a. folgende Ziele:
- Selbstbestimmtes Leben in der vertrauten Umgebung auch bei Unterstützungs- oder Pflegebedürftigkeit möglich machen.
- In den Quartieren lebendige Beziehungen zwischen den Generationen entstehen lassen oder bewahren.
- Soziale Folgekosten durch wohnortnahe Prävention und Stärkung der haushaltsnahen Versorgung vermeiden.
- Gesellschaftlichen Dialog über das Zusammenleben in einer solidarischen Gesellschaft unter den Bedingungen des demographischen Wandels fördern.
(Masterplan altengerechte Quartiere.NRW 2013)
Es gibt allerdings auch nicht „das“ altengerechte Quartier. Altengerechte Quartiere sind so vielfältig, wie die Menschen, die in ihnen leben. So beschreibt der Masterplan eine Vision vom selbstständigen und selbstbestimmten Leben im Alter, keine detaillierte Handlungsanleitung.
Wenn man mit den Menschen über das Altwerden und ihre Vorstellungen dazu spricht, dann stehen genau diese oder ähnliche Fragen im Fokus:
- Wie (und wo) kann und möchte ich im Alter wohnen? Welche Wohnformen kann ich mir vorstellen, welche sind für mich geeignet?
- Wie werde ich mich dann mit dem, was ich brauche, versorgen können? Wenn das nicht mehr gelingt, wo kann ich Hilfe bekommen?
- Wie kann ich meine Wünsche und Bedürfnisse in meiner Nachbarschaft artikulieren? Wie kann ich mich an Entscheidungen und Entwicklungen beteiligen?
- Wie kann ich sicherstellen, dass ich auch in Zukunft nicht allein bin? In was für einer Gemeinschaft möchte ich überhaupt leben?
Entsprechend dieser zentralen Fragestellungen werden im Masterplan altengerechte Quartiere.NRW die folgenden, für sich schon komplexen Themen- bzw. Handlungsfelder Wohnen, Sich versorgen, Sich einbringen und Gemeinschaft erleben benannt.
Natürlich gibt es weitere Themen, wie z.B. das gesunde Altern, Gesundheitsversorgung, Migration und Alter,… die alle auch eine wichtige Rolle spielen. Es gilt zudem: Die Themen bzw. entsprechende Bedarfe hängen eng miteinander zusammen. Kaum jemand hat nur eine Frage zu einem konkreten Bereich; bei vielen Menschen geht es, wenn sie sich strukturiert mit diesen Fragen auseinandersetzen, um nicht mehr und nicht weniger als die eigene Zukunft.
Vom Quartier zum altengerechten Quartier…
Insofern ist es grundsätzlich logisch, dass Akteure – in welchen Kontexten und aus welcher Motivation sie auch immer tätig werden – zunächst bei diesen Fragen ansetzen, besonders wenn sie die Rechtfertigung für ihr Handeln auch daraus ableiten, sich um die Belange der Menschen zu sorgen.
Entsprechend ihrer Verpflichtung zur Daseinsvorsorge ist deshalb nicht nur nachvollziehbar, sondern wünschenswert, dass auch und gerade Kommunen sich auf den Weg machen, „ihre“ Quartiere vor dem Hintergrund der Alterstauglichkeit zu betrachten und zu schauen, wie sie der wachsenden Gruppe älterer und alternder Menschen in ihrem Zuständigkeitsbereich Wohn- und Lebensperspektiven für jedes Alter bieten können. Viele Kommunen haben sich diesbezüglich auch schon vor längerer Zeit auf den Weg gemacht und leisten hervorragende Arbeit dabei, wie zahlreiche gute Projekte und Konzepte zu dem Themenfeld zeigen.
Dennoch ist es oft gar nicht so einfach, selbst beim besten Willen nicht, den passenden Ansatz für die altengerechte oder demographiefeste Entwicklung von Quartieren zu finden. Jedes Quartier ist eben anders und: selbst in vermeintlich „reichen“ Kommunen sind die vorhandenen Ressourcen auch nicht unbegrenzt. In der Regel ist die altengerechte Quartiersentwicklung ein Anliegen, das mit vielen anderen Ansätzen und Pflichtaufgaben zusammenkommt. Zur Unterstützung bei der Umsetzung des Masterplans altengerechte Quartiere.NRW und um die altengerechte Quartiersentwicklung in den Kommunen zu stärken, wurde deshalb 2012 das “Landesbüro altengerechte Quartiere.NRW” eingerichtet.
Zu den Aufgaben des Teams gehört die konkrete Beratung von Akteuren (wie z.B. Kommunalverwaltungen, Initiativen usw.) zu allen Fragen der altengerechten Quartiersentwicklung: Was für Instrumente und Methoden gibt es? Welche Akteure können und müssen eingebunden werden? Welche Finanzierungsmöglichkeiten gibt es? u.v.m. In über vierzig Quartieren in NRW, in denen zurzeit durch das MGEPA geförderte Quartiersentwickler*innen tätig sind, begleitet das Büro die Projekte vor Ort auch über eine längere Zeit. Darüber hinaus ist das Büro für alle Akteure und Personen, die sich – ob beruflich oder privat – für die altengerechte Quartiersentwicklung an einem konkreten Ort einsetzen (wollen), für eine qualifizierte und qualifizierende Erstberatung ansprechbar. Gemeinsam kann erörtert werden, welche nächsten Schritte die Akteure vor Ort angehen könn(t)en, wen sie ansprechen sollten oder welche guten Projekte es in dem Themenfeld anderswo schon gab oder gibt und welche Methoden man für die weitere Arbeit einsetzen könnte.
Darüber hinaus befasst sich das Team des Landesbüros mit der Sammlung und Aufbereitung von guten Beispielen für umgesetzte Projekte sowie der dabei angewandten Methoden und Instrumente, um Akteure zum Nachahmen zu animieren. Mehr als 80 sogenannte „Module“ altengerechter Quartiersentwicklung, also jene Methoden oder Instrumente, sind auf dem Portal des Masterplans www.aq-nrw.de ausführlich beschrieben und mit guten Beispielen, Download-Material und häufig auch konkreten Ansprechpartner*innen aufbereitet worden. Die Module sind einem permanenten Praxis-Review-Verfahren unterzogen – über eine umfassende Bewertungsfunktion können Praktiker*innen und andere Expert*innen mitteilen, welche Erfahrungen sie mit der jeweiligen Methode gemacht haben. Über 150 Projekte aus ganz NRW sind in der interaktiven Projektdatenbank bereits eingetragen – jeweils mit einer ausführlichen Beschreibung und einem Hinweis auf die angewandte Methodik.
(Altengerechte) Quartiersentwicklung ist ein Querschnittsthema. In praktisch jedem Quartier und in jeder Quartiersentwicklung kommen immer unterschiedliche Themen zusammen und verschiedene Interessen und Bedarfe müssen moderiert und abgestimmt werden. Nicht zu kurz kommt deshalb auch die Vernetzung von Akteuren der altengerechten Quartiersentwicklung in NRW. Mit zahlreichen Veranstaltungen, Praxiswerkstätten, Tagungen und Exkursionen bietet das Landesbüro viele Möglichkeiten, sich über altengerechte Quartiersentwicklung zu informieren und sich in die Weiterentwicklung des Themenfeldes einzubringen. Alle Hinweise dazu und die Möglichkeit, sich anzumelden, gibt es ebenfalls auf der Seite www.aq-nrw.de.
Der Anspruch zur Vernetzung gilt natürlich nicht minder für jene Akteure, die gemeinsam für Schwerpunktthemen des MGEPA in der Altenpolitik stehen. Sehr intensiv arbeitet das Team des Landesbüros altengerechte Quartiere.NRW mit dem Team des Landesbüros innovative Wohnformen.NRW (mit Standorten für das Rheinland und für Westfalen), der ZWAR-Zentralstelle NRW, dem Forum Seniorenarbeit, der Landesseniorenvertretung, Rubicon als der Beratungsstelle für schwul-lesbisches Leben im Alter und vielen weiteren Akteuren zusammen.
Selbstverständlich gehört auch die Begleitung der Öffentlichkeitsarbeit für den Masterplan altengerechte Quartiere.NRW dazu. Mit dem Aufbau und der Pflege des Internet-Portals, dem regelmäßig erscheinenden Newsletter, wie auch durch die vielen Veranstaltungen, Vorträge und die Teilnahme an Messen etc. ist es gelungen, das Themenfeld „altengerechte Quartiere“ gut auf der Landesebene und vor allem auch in den vielen Kreisen und Kommunen zu positionieren. Mittlerweile wird das Team des Landesbüros auch aus anderen Bundesländern eingeladen, seine Arbeit vorzustellen.
Der Anspruch, in Netzwerken zu denken, spiegelt sich auch in der Struktur des Landesbüros selbst wider. Mehrere Akteure haben sich zusammengetan, um gemeinsam mehr Kompetenzen bündeln zu können. Neben dem Bochumer InWIS (Institut für Wohnungswesen, Immobilienwirtschaft, Stadt- und Regionalentwicklung an der Ruhr-Universität Bochum) haben auch das Gelsenkirchener IAT (Institut Arbeit und Technik an der Fachhochschule Gelsenkirchen) und das Beratungsunternehmen KCR – Konkret Consult Ruhr sowie – jetzt neu – das KDA (Kuratorium Deutsche Altershilfe) ihre Expertise zusammengefasst, um den Akteuren im Land bestmögliche, das heißt auf ihre Bedarfe und ihre jeweilige Situation ausgerichtete Information und Beratung bieten zu können.
Nicht zuletzt mit Blick auf die Vernetzung sondern auch vor dem Hintergrund des steten Antriebs im Landesbüro altengerechte Quartiere.NRW, Neues zu lernen und in die Arbeit einzubauen, wurde schon früh im Prozess ein Praxis-Begleitgremium berufen, in dem unterschiedliche Personen und Akteure vertreten sind, die Erfahrungen mit der altengerechten Quartiersentwicklung haben und diese weitergeben können.
Was bleibt, was kommt?
Nachdem nun wichtige (Aufbau-)Schritte erreicht wurden – das Internetportal steht und wächst weiter, umfassende Informationen, Literaturdatenbanken, Veranstaltungsdokumentationen usw. sind dort enthalten, zahlreiche Projekte und Module sind aufgearbeitet u.v.m., ist es an der Zeit, die zweite Phase der Arbeit des Landesbüros anzugehen. Es gilt, Bestehendes auszubauen, zu verbessern und das Thema an verschiedenen Stellen weiter voranzutreiben. Altengerechte Quartiersentwicklung ist niemals abgeschlossen und „fertig“. Neue Beispiele und neue Methoden werden entwickelt und kommen hinzu, alte Methoden werden verbessert oder bestehende Methoden werden auf neue Herausforderungen angewandt. Auch die Herausforderungen wandeln sich ständig: Seit dem letzten Jahr spielt im Besonderen das Thema Migration für die Quartiersentwicklung (wieder) eine große Rolle. Welche Schnittstellen gibt es dabei mit der altengerechten Quartiersentwicklung?
Ein Thema, das im Landesbüro zukünftig stärker als bisher aufgegriffen wird, ist der Ansatz, der im Landesbüro unter der Überschrift „vom Projekt zum Programm“ steht: Viele Kommunen befassen sich nicht mehr nur mit einzelnen Projekten der (altengerechten) Quartiersarbeit. Vielmehr wird die Dimension des Quartiers und hier insbesondere auch die altengerechte Ausgestaltung von Quartieren zunehmend in den Kommunen als Querschnittsaufgabe gesehen und im besten Fall durch ressortübergreifende Ansätze hinterlegt. Hierbei, das hat die Beratungsarbeit der ersten Phase gezeigt, wünschen sich viele Kommunen Unterstützung: Was sind wichtige Bausteine einer ganzheitlichen Vorgehensweise auf kommunaler Ebene?
Nicht nur für die Akteure in den Kommunen und die Kommunalverwaltungen selbst ist es wichtig, herauszufinden, ob und auf welche Weise die Anstrengungen in der altengerechten Quartiersentwicklung Wirkung zeigen. Gemeinsam mit Quartiersentwickler*innen sollen daher Methoden aufgearbeitet und erarbeitet werden, die vor Ort bei diesen Fragestellungen unterstützen können.
Weitere Informationen, Modulbaukasten, Projektlandkarte und Newsletter: www.aq-nrw.de oder über die zentrale Servicenummer: 0234 9531 9999.
Letzte Aktualisierung: 8. März 2017