Die Gesundheitsversorgung im Ruhrgebiet durch digitale Lösungen verbessern – Interview mit Janina Kleist

Im Rahmen des Themenmonats 12/2023 „Ältere Menschen und Digitalisierung?! Potenziale und Teilhabechancen“

Janina Kleist ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der HS Gesundheit Bochum und arbeitet im BMBF-Projekt „WIR“ – Digital Health Factory Ruhr. In der DHFR-Lernwerkstatt wird praktisches Wissen zur Nutzung digitaler Gesundheitsanwendungen er- und vermittelt. Lebenswirklichkeiten, Sichtweisen, Bedarfslagen und Bedürfnisse potenzieller Nutzer:innen (u.a. Senior:innen) werden partizipativ ermittelt und fließen in die Entwicklung neuer Versorgungsmechanismen ein. Auf dem Fachtag 2023 hat sie bereits in einem spannenden Vortrag über ihre Arbeit berichtet und einen Einblick darüber geben können, wie digitale Teilhabe durch die Einbeziehung älterer Menschen bei der Technikentwicklung gefördert werden kann.

Forum Seniorenarbeit NRW: Hallo Janina, vielen Dank dass du dir die Zeit für uns nimmst. Du hast ja bereits auf unserem Fachtag im September einen sehr spannenden Impulsvortrag über deine Arbeit in der Digital Health Factory gehalten. Vielleicht kannst du nochmal einmal kurz erzählen, was die Digital Health Factory überhaupt ist und was ihr mit eurer Arbeit anstrebt?

Janina Kleist: Die Digital Health Factory Ruhr – kurz DHFR [1]– ist ein Förderprojekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Eines unserer Ziele ist es, den digitalen Zugang zu Gesundheitsinformationen zu vereinfachen.

Forum Seniorenarbeit NRW: Was erhofft ihr euch mit der Entwicklung „digitaler Lösungen für die Gesundheitsversorgung in Ballungsräumen“?

Janina Kleist: Wir arbeiten daran, die Gesundheitsplattform Ruhr zu entwickeln und sprechen dazu mit vielen Gruppen im ganzen Ruhrgebiet. Wir wollen erfahren, welche Lücken die Menschen im Gesundheitsbereich sehen. Wir fragen sie, welche digitalen Angebote sie schon nutzen und was ihnen noch fehlt, um sich gut informieren und einen gesunden Alltag haben zu können. Die Themen sind Prävention, Sport und Bewegung, gesellschaftliche Teilhabe und Ernährung. Das alles beziehen wir auf die Stadt, in der die Menschen leben, das Internet und Smartphone Apps. Die unterschiedlichen Sichtweisen dokumentieren wir, bereiten sie auf und lassen sie in die Entwicklung einfließen, so dass einige Lücken hoffentlich kleiner werden.

Forum Seniorenarbeit NRW: Warum ist es deiner Meinung nach so wichtig, bei der Entwicklung digitaler Lösungen die Perspektive Älterer miteinzubeziehen?

Janina Kleist: Weil sie ein großer Teil unserer Gesellschaft sind. Und wenn wir wollen, dass digitale Angebote von allen oder zumindest von vielen, genutzt werden, dann muss in die Entwicklung das einfließen, was die Menschen brauchen. Wir gehen davon aus, dass man das am besten herausfinden kann, indem man fragt, was schon gut ist, was noch besser gemacht werden könnte und was noch neu entwickelt werden könnte.

Forum Seniorenarbeit NRW: Ein wichtiger Punkt in eurer Arbeit ist ja das sogenannte partizipative Design. Was genau lässt sich darunter in einfachen Worten verstehen?

Janina Kleist: Wir treffen uns mit Gruppen im ganzen Ruhrgebiet und sprechen mit ihnen über ihre Gesundheitssituation. Die Ergebnisse der Bedarfsermittlung bereiten wir auf und geben sie in das Projekt. Auf diese Weise finden sie bei der Konzeption und Programmierung digitaler Gesundheitsangebote Berücksichtigung.

Forum Seniorenarbeit NRW: Was für Vorteile ergeben sich denn allgemein aus dem partizipativen Design? Worauf muss man besonders achten, gibt es „Stolpersteine“?

Janina Kleist: Der große Vorteil ist, dass bei der Entwicklung digitaler Angebote die Bedürfnisse derjenigen, die sie einmal nutzen sollen, von vornherein mit einfließen. Ich würde das nicht direkt einen Stolperstein nennen, aber ich empfinde es als eine Herausforderung das, was die Menschen uns vor Ort über ihre Gesundheitssituation erzählen, so darzustellen, dass daraus eine Internetseite oder eine neue App entstehen kann.

Forum Seniorenarbeit NRW: Im Rahmen des partizipativen Designs interessiert uns die Gruppe älterer Menschen besonders. Kannst du etwas darüber erzählen, wie die Zusammenarbeit mit den älteren Teilnehmenden entstanden ist? Wie habt ihr den Kontakt hergestellt oder auf eure Arbeit aufmerksam gemacht? Und in welcher Altersgruppe bewegen sich die Teilnehmenden?

Janina Kleist: In unserem Projektteam bestehen langfristige Kontakte in die Ruhrgebietskommunen. So unter anderem auch zu Menschen, die bei Wohlfahrtsverbänden oder anderen Sozialraumakteuren arbeiten. Über diese nehmen wir Kontakt auf, schildern unser Vorhaben, besprechen welche Möglichkeiten es dort gibt einen Workshop mit Gruppen durchzuführen und planen dann Termin und Ort. Die Workshops finden immer vor Ort statt, in der Nachbarschaft derjenigen, mit denen wir sprechen wollen.

Die Diskussion, ab wann man ein älterer Mensch ist, haben wir im Team natürlich auch geführt. Am Ende haben wir Menschen 60+ als älter bezeichnet.

Forum Seniorenarbeit NRW: Partizipative Ansätze sind ja nicht nur im Bereich der Technikentwicklung relevant, sondern auch bei der Initiierung und Gestaltung von Angeboten und Ideen vor Ort. Was sind deine 3 Tipps für um insbesondere die Zielgruppe älterer Menschen bei der Ideengestaltung mit einzubeziehen?

Janina Kleist: Erstens würde ich auf die Quartiersebene schauen. Dort würde ich den Kontakt zu bestehenden Gruppen suchen und mit diesen ins Gespräch kommen. Es gibt sehr viele engagierte Menschen, die Interesse an einer Zusammenarbeit haben. Zweitens finde ich es immer sehr wichtig die Menschen zu fragen, was sie interessieren würde. Diese Ideen kann man dann gemeinsam umzusetzen. Und drittens würde ich bei der Terminfindung auf jeden Fall flexibel sein und mich nach den Partnern vor Ort richten, mit denen ich zusammenarbeiten möchte.

Forum Seniorenarbeit NRW: Vielen Dank für das Interview, Janina!


[1] Die Digital Health Factory Ruhr ist ein Projekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Rahmen der Förderlinie WIR – Wandel durch Innovation in der Region. Initialpartner sind die MedEcon Ruhr GmbH Bochum, das Fraunhofer Institut für Software- und Systemtechnik Dortmund und die Hochschule für Gesundheit Bochum, Weblink: https://digital-health-factory.ruhr/.

Letzte Aktualisierung: 22. Dezember 2023

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