Das Einsetzen der Corona-Pandemie in Deutschland im Frühjahr 2020 hat insbesondere für die ältere Bevölkerung weitreichende Folgen gehabt. Mangelnde soziale Kontakte aufgrund der Kontaktbeschränkungen – insbesondere persönliche Treffen – belegen die negativen Auswirkungen fehlender gesellschaftlicher Teilhabe für ältere Menschen. Die Ergebnisse des Deutschen Alterssurveys 2020 (DEAS) zeigen deutlich: Im Sommer 2020 lag der Anteil an Menschen im Alter von 46 bis 90 Jahren, die Einsamkeitsgefühle empfunden haben bei knapp 14 Prozent und damit 1,5-mal höher als in den Befragungsjahren 2014 und 2017. Einsamkeit und die psychischen Folgen im Umgang mit diesem vielschichtigen Gefühl können einen Rückzug der älteren Generation in die eigenen Vierwände und soziale Isolation verstärken.
Ebenso wie alle anderen Bevölkerungsteile waren die knapp 300 ZWAR-Gruppen und ihre Teilnehmenden von den Kontaktbeschränkungen betroffen.
Was und wer steckt hinter den ZWAR-Gruppen?
ZWAR-Gruppen (die Abkürzung steht für ‚Zwischen Arbeit und Ruhestand‘), das sind selbstorganisierte Gruppen für Menschen ab ca. 60+, die sich am Übergang von der Erwerbstätigkeit in den Ruhestand befinden oder schon verrentet sind.
Seit über 40 Jahren werden in Nordrhein-Westfalen selbstorganisierte Gruppen nach einem bundesweit einmaligen Konzept gegründet. Dabei ging es von Beginn an – und das auch heute noch – darum, die Unterstützung von Selbsthilfe, Selbstorganisation, Sinnfindung sowie sozialer, kultureller und politischer Beteiligung von Menschen in der nachberuflichen Lebensphase zu stärken. Ein zentraler Baustein dabei ist die selbstbestimmte Auseinandersetzung mit den eigenen Interessen, Wünschen und Perspektiven für die Zeit des Ruhestandes.
Um den negativen Entwicklungen der Folgen der Kontaktbeschränkungen durch die Corona-Pandemie entgegenzuwirken, sind die Teilnehmenden der ZWAR-Gruppen in NRW aktiv geworden.
„Kontakteinschränkungen treffen eine Gruppe hart, deren Ziel das Knüpfen und Pflegen von mitmenschlichen Kontakten ist.“ (ZWARlerin der Gruppe Essen-Bergerhausen)
Die bisherigen Basisgruppentreffen der ZWAR-Gruppen wurden durch digitale Treffen ersetzt. Dazu wurden verschiedene Videokonferenz-Tools, wie ZOOM, Jitsi, Skype, Microsoft Teams und viele Weitere ausprobiert und auf die verschiedenen notwendigen Funktionen getestet.
Zusätzlich wurden z. B. digitale „Klönrunden“ implementiert, in welchen die Teilnehmenden sich mehrmals die Woche sehen und in lockerer Runde über Alltagsthemen unterhalten können. Die Menschen haben gemeinsam einen Literaturkreis abgehalten, Filme geschaut, zusammen gekocht, Fotogruppen durch Quizduell-Abende veranstaltet oder sogar Sprachkurse organisiert.
Problemlösekompetenz – selbst sind die ZWARler:innen!
Technische Probleme mit den Programmen wurden gemeinsam gelöst, indem z.B. zeitgleich telefoniert oder gechattet wurde. In Einzelfällen fanden auch persönliche Treffen zur Unterstützung im Umgang mit den digitalen Geräten und Medien statt.
Um die digitale Bedien- und Medienkompetenz der älteren Generation zu fördern, haben viele ZWAR-Gruppen „digitale Stammtische“, „PC-Gruppen“ oder ähnliches, wie das „Kaffee digital“ ins Leben gerufen. In regelmäßigen Abständen finden die digitalen Veranstaltungen statt, in welchen, persönliche Berührungspunkte und Erfahrungen mit dem digitalen Thema ausgetauscht, kurze Vorträge der ZWARler:innen präsentiert sowie zu Problemen diskutiert und gemeinsam Lösungen entwickelt werden. Inhalte der Veranstaltungen und Angebote waren zu Beginn der Pandemie z. B.:
- Fragen zur Installation und Nutzung der Corona-Warn-App, dem Online bestellen und bezahlen von Kleidung und Lebensmitteln,
- unterschiedliche Messenger Dienste sowie ihre Vor- und Nachteile sowie
- Themen der Datensicherheit bzgl. des Smartphones.
„Wenngleich die digitalen Themen und Fragestellungen dieser digitalen Veranstaltungen im Vordergrund stehen, sind es gerade die Stärkung der sozialen Beziehungen und Netzwerke, wie Freunde und Nachbarn, die Erhaltung der selbständigen Lebensführung sowie die Förderung des Miteinanders in den Sozialräumen, die von diesen Angeboten profitieren“ (ZWAR-Gruppe Korschenbroich-Montag)
Websites, Podcasts und eine eigene App
Die Websites der ZWAR-Gruppen haben in der Zeit der Pandemie und der Lockdowns eine besondere Bedeutung erhalten. Über diese wurde nicht nur auf aktuelle Termine und digitale Angebote aufmerksam gemacht – über interne Bereich war auch die Möglichkeit eines Forums zum Chatten sowie dem Austausch von Dokumenten gegeben. Eine ZWAR-Gruppe hat mit der Pandemie das Format des Podcasts für sich entdeckt und möchte dies auch weiterhin fortführen.
Die ZWAR App des Trägervereins möchte die Vernetzung innerhalb der Gruppen, der Gruppen untereinander und die Kommunikation des ZWAR e.V. mit den teilnehmenden ZWARler:innen stärken.
Ein Blick in die Zukunft
Nach der Corona-Pandemie bzw. schon jetzt sind weiterhin digitale Formate und zusätzliche, analoge Treffen und Veranstaltungen zur Förderung der digitalen Kompetenz geplant, sodass das Thema der Digitalisierung als Querschnittfeld zu zahlreichen Lebensbereichen weiterhin Teil der ZWAR-Gruppen Aktivitäten sein wird.
Wenngleich die digitalen Treffen nicht die sozialen Kontakte der Gruppen und die Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen ersetzen können, belegen die aufgeführten Beispiele deutlich, dass die verstärkten Aktivitäten der ZWARler:innen, wie die digitalen Angebote einem Einsamkeitsgefühl und der sozialen Isolation der älteren Menschen entgegenwirken können. Die Stärken der ZWAR-Gruppen, nämlich die Selbstorganisation und das Empowerment der Teilnehmenden wirken auch über Pandemie-Zeiten hindurch: neue Wege des „Miteinander-in-Kontakt-bleibens“ wurden erprobt und adaptiert, um sich zu persönlichen Themen auszutauschen, einer sozialen Exklusion wurde vielfach entgegengewirkt und es wurden vor allem Wünsche und Ideen gesammelt, wie es in den Gruppen, aber auch im Stadtteil optimistisch „nach Corona“ weitergeht.
Dr’in. Kirsten Kemna,
Wissenschaftliche Mitarbeiterin des ZWAR e. V.
Letzte Aktualisierung: 28. Juni 2022