Was verbirgt sich hinter einer (Senioren-)genossenschaft? Steht eine bestimmte Rechtsform dahinter? Was unterscheidet eine Genossenschaft von einem Tauschring? Eine kurze Einführung gibt einen Überblick über das Thema Seniorengenossenschaften.
Die Idee der Genossenschaft
„Was der Einzelne nicht vermag, das vermögen viele.“ war der Leitspruch von Friedrich-Wilhelm Raiffeisen, der Mitte des 19. Jahrhunderts eine der ersten Genossenschaften in Deutschland gründete. Mit dem Grundgedanken der Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung gründete er eine Darlehenskasse, über die sich Bauern aus dem Westerwald gegenseitig bei Missernten halfen und sich so unabhängig von Wucherdarlehen machten.
Raiffeisens Idee ist nachhaltig wirksam: Aus der Darlehensbank wurde die Raiffeisenbank, die Leitlinien Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung sind in der Rechtsform „Eingetragene Genossenschaft“ festgehalten und finden sich in der Organisationsform vieler Vereine und Initiativen wieder.
Genossenschaften für ein Leben zu Hause
Für die Seniorenarbeit und gerade für das vom Forum Seniorenarbeit NRW vertretene Leitbild des möglichst lange möglichst selbständigen Lebens finden sich in dem Genossenschaftsgedanken viele Anknüpfungspunkte: Aktuell verfügt unsere Gesellschaft über viele Ressourcen – keine Generation vor uns hatten so viel (Lebens-)zeit nach der Erwerbszeit, eine so gute Gesundheit, so viel Fachwissen und berufliche sowie soziale Erfahrungen wie jetzt. Dies geht einher mit dem steigenden Wunsch, das eigene Umfeld zu gestalten und sich bei seiner (Alters-)versorgung nicht alleine auf den Staat oder professionelle Dienstleistungen zu verlassen.
Begriffsklärung „Bürger- und Seniorengenossenschaft“
Die Begriffe „Bürger-„ oder „Seniorengenossenschaft“ sind nicht eindeutig definiert. Wir benutzen sie für nach genossenschaftlichen Prinzipien Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung organisierte Zusammenschlüsse von Menschen, die sich freiwillig organisieren, um aus eigener Kraft gemeinsam zu wirtschaften. Die Verwaltung und Organisation erfolgt durch Mitglieder der Genossenschaft.
Als Forum Seniorenarbeit NRW haben wir dabei die Genossenschaften im Fokus, die älteren Menschen ein möglichst selbständiges Leben in ihrem Zuhause durch die Vermittlung haushaltsnaher Dienstleistungen und sozialer Kontakte ermöglichen.
Charakteristisch bei den Bürger-/ Seniorengenossenschaften ist, dass das System von Zeitbanken genutzt wird: Jede Dienstleistung eines Mitglieds für ein anderes wird auf ein Zeitkonto gutgeschrieben. Dieses Guthaben kann angespart werden für Zeiten, in denen selber Unterstützung benötigt wird. Seniorengenossenschaften können so neben der gesetzlichen Rente, der betrieblichen Altersvorsorge und der privaten Rentenversicherung ein weiteres Standbein der Absicherung im Alter darstellen.
Rechtsformen von Genossenschaften
Der Begriff „Genossenschaft“ lässt keine automatischen Rückschlüsse auf die rechtliche Form der Initiative zu, die meisten Seniorengenossenschaften sind als gemeinnütziger Verein organisiert. Zudem agieren viele Initiativen unter anderen Namen wie z.B. die Öcher Frönnde. Gemeinsam mit den Genossenschaften ist den Initiativen, dass sie zumeist ein geschlossener Kreislauf sind und die Dienstleistungen nur für Mitglieder, die einen geringen Mitgliedsbeitrag zahlen, zugängig sind.
Eine Bürgergenossenschaft kann auf unterschiedlichen Rechtsformen basieren. Die eingetragene Genossenschaft findet man ehr selten, hinter vielen als Genossenschaften bezeichneten Initiativen verbergen sich Vereine. Wichtiger als die Rechtsform erscheint uns aber der Grundgedanke: Auf einem Zeitkonto wird jede geleistete Unterstützungsstunde gutgeschrieben. Sollte der bzw. die Gebende später selber in die Situation kommen, Hilfe empfangen zu müssen, kann diese über das Zeitkonto ‚bezahlt’ werden.
Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu Tauschringen
Die Seniorengenossenschaften haben Parallelen zu Tauschringen: Ausgetauscht wird zumeist nur in der inflationsfreien Währung Zeit – eine Stunde ist heute so viel wert wie in 20 Jahren. Eine weitere Ähnlichkeit ist die regionale Begrenzung beider Systeme.
Ein bedeutender Unterschied liegt allerdings in der Zielsetzung: Der Grundgedanke von Seniorengenossenschaften ist, sich in aktiven Zeiten als Leistungserbringer zu engagieren und Zeitpunkte anzusparen. Diese können in Zeiten, in denen Hilfe notwendig ist, eingetauscht werden, die Zeitkonten sind entsprechend dieses Ansatzes nicht gedeckelt. Tauschringe dagegen begrenzen die Höhe des Zeitkontos. Ist dieses Limit erreicht, kann keine weiteres Guthaben angespart. So wird ein reger Tauschhandel angeregt und der Tauschring ist attraktiv für seine Mitglieder.
Im Gegensatz zu Tauschringen ist es in einigen Bürger-/Seniorengenossenschaften möglich, die geleistete Unterstützung durch eine Aufwandsentschädigung statt durch eine Gutschrift auf ein Zeitkonto entschädigen zu lassen. Eine besondere Beachtung verdient hier die steuerrechtliche Komponente und die Abgrenzung zu versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen.
Letzte Aktualisierung: 21. April 2015