Während der Corona-Lockdowns sind trotz vielerlei Einschränkungen einige tolle Entwicklungen im digitalen Raum entstanden. Im Rahmen unseres Themenmonats hatten wir das Glück, mit den Fabi-Film-Frauen über ihrer Arbeit an ihrem Trickfilm „Zuhause“ zu sprechen, welcher vom alltäglichen Leben erzählt – denn jede:r von uns sucht doch ihr/sein Zuhause. Produziert wurde dieser Trickfilm, der sich mit den Probleme des Zusammenlebens verschiedener Generationen beschäftigt, im Rahmen eines Projektes „Wenn aus Bildern eine Geschichte wird“, finanziert vom Förderfond „Kultur & Alter“ Nordrhein-Westfalen und von der Katholischen Familienbildungsstätte Ibbenbüren. Die fantastischen Fabi-Film-Frauen Ibbenbüren, sieben Frauen zwischen 55 und 73 Jahren, fanden sich als Filmcrew im Frühjahr 21 zusammen, um die Trickfilmgeschichte zu erfinden und den Film zu produzieren.
Forum Seniorenarbeit: Wie entstand die Idee diesen Film zu drehen? Wieso gerade ein Trickfilm?
Bettina Selle: Ich habe irgendwann mal im Internet nach freischaffenden Künstlern in Osnabrück gesucht zwecks evtl. Kooperation und bin dabei auf die Website von Frau Meyer gestoßen. Daraufhin hatte ich die Idee, dass die Zusammenarbeit zwischen einer Märchenerzählerin und einer Trickfilmerin eine spannende Sache sein könnte. Daraufhin habe ich Frau Meyer kontaktiert und ihr von meiner Idee erzählt. Wir haben uns dann bald zum Kaffee getroffen und währenddessen die Idee für dieses gemeinsame Projekt entwickelt.
Forum Seniorenarbeit: Gab es die Gruppe älterer Damen schon im Voraus oder musste die erst noch gefunden werden?
Marita Lemmers: Nein diese Gruppe gab es vorher noch nicht. Ich habe mit vielen unterschiedlichen Leuten telefoniert und dabei auch feststellen müssen, dass die Idee einen Trickfilm zu drehen, die Männer nicht so sehr wie die Frauen begeisterte und schließlich die Gruppe der älteren Damen entstanden ist. Es war schon sehr spannend mit den einzelnen Menschen am Telefon zu sprechen, aber auch nicht immer ganz einfach, da es recht lange gedauert hatte und doch auch etwas Überzeugungskraft notwendig war. Mit dem Wissen, was ich jetzt habe, muss ich ganz klar sagen, dass es kaum eine bessere Gruppe hätte geben können!
Sabine Meyer: Die Auswahl der Gruppe kam auch durch den persönlichen Kontakt zustande. Dann gab es ein Infotreffen, weil sich ganz viele gar nicht vorstellen konnten, was wir da eigentlich genau machen und vor allem auch wie wir das machen. Beim Infotreffen konnten wir einiges an Fragezeichen lösen und die Basis für einen guten Start schaffen.
Forum Seniorenarbeit: Frau Meyer, Sie haben das gerade schon ein bisschen angedeutet, nämlich dass viele gar nicht wussten was sie genau erwartet. Wie haben Sie es denn geschafft, die Truppe, die das Projekt am Ende durchgeführt hat, trotz eventueller Vorbehalte oder Berührungsängste zu überzeugen?
Sabine Meyer: Da müsste man glaube ich die fragen, die daran teilgenommen haben. Bettina und ich haben uns alle Mühe gegeben, unser Vorhaben auch gut zu visualisieren, aber was letztendlich den Ausschlag gegeben hat können die Teilnehmerinnen besser beantworten.
Marita Lemmers: Ach ich habe einfach gesagt, dass schafft ihr! Macht mal mit!
Gisela vom Familienzentrum Ibbenbüren: Ich war schon in früheren Jahren immer kreativ tätig in Bezug auf Theater spielen, Straßenmusik machen und diese Richtung. Von daher hat mich das schon sehr angesprochen, jedoch hatte ich schon auch Angst, weil ich mir eben nicht vorstellen konnte, wie man einen Trickfilm überhaupt entwickelt. Aber ich war neugierig und wollte es einfach mal ausprobieren. Ausprobieren ist alles.
Forum Seniorenarbeit: Da schließt sich die Frage an, wie aufwendig so ein Trickfilm ist und was für Wissen, Kompetenzen und Ausrüstung dafür gebraucht werden?
Bettina Selle: Als Teilnehmende braucht man eigentlich nur Neugierde und den Willen einfach mal was Neues wagen zu wollen. Man muss nicht malen oder schauspielern können. Solange die Lust vorhanden ist, sich auf etwas Neues einzulassen, sind alle Voraussetzungen gegeben.
Alles an Technik habe ich mitgebracht, d.h. Trickfilmkiste, Kamera, Laptop und etliches an Gestaltungsmaterial, von welchem aber auch das meiste schon in der Fabi (Familienzentrum) vorhanden war. Know-How braucht man aber recht wenig. Am Anfang habe ich von den Teilnehmenden oft Angst rausgehört. Jedoch wurde diese recht schnell zu Beginn abgelegt. Durch die Daumen-Kino-Technik, d.h. einzelne aneinander gereihte Fotos, welche in der Trickfilmbox entstanden sind, und dem Anschließenden Tonaufnahmen, die von Sabine durchgeführt wurden, entstand durch das Zusammenfügen von Ton und Musik der fertige Trickfilm.
Besonderes Vorwissen oder besonderen Kompetenzen mussten nicht mitgebracht werden.
Das ist gerade das Schöne an so einem Projekt, denn es findet eigentlich jeder seine Nische. Die einen sprechen gerne und machen gerne was am Mikro. Andere wiederum malen gerne.
Sabine Meyer: Das ist auch meine Erfahrung, die ich bisher mit Gruppen gemacht habe. Wo zu Beginn ein großes Fragezeichen steht, findet sich letztendlich immer eine gelungene Geschichte.
Marita Lemmers: Das fand ich auch so schön, dass so unterschiedliche Fantasien in der Geschichte dabei waren. Das macht eine solche Gruppenarbeit aus.
Bettina Selle: Die Entwicklung der Geschichte war sehr spannend. Wir hatten wirklich auch Phasen, in denen es nur so sprudelte, jede hat sich beteiligt, dann manchmal auch Momente, in denen etwas ins Stocken geriet und man musste es erstmal sacken lassen. Beim nächsten Treffen hat man dann wieder richtig gemerkt, wie es in der Zwischenzeit gearbeitet hat und schon ging das mit dem Ideensprudel wieder von vorne los.
Annette Kleinert: Für mich war das beste daran, dass diese Entwicklung auf einer ziemlich großen Vertrauensbasis stattgefunden hatte. Jeder wurde mit seinen Ideen akzeptiert. Alle haben irgendwas für sich entwickelt oder neu entdeckt, und der gegenseitige Respekt war sehr förderlich dabei.
Forum Seniorenarbeit: Ich nehme mit, dass es also schon einen koordinierenden Part braucht, in Ihrem Fall waren das Frau Selle und Frau Meyer, der sicher im Umgang mit der Technik ist, die angewandt wird. Das bedeutet, wenn ich andere Menschen mitnehmen möchte, muss ich mit den Techniken, die genutzt werden sollen, halbwegs gut umgehen können, damit ich dann auch Vertrauen schaffen und andere begleiten und inspirieren kann.
Sie haben gesagt, dass Sie sich alle am Anfang per Zoom getroffen haben. Haben Sie denn schon Erfahrung mit solchen Videokonferenzen oder war das für einige von Ihnen der erste Anlass sich überhaupt einmal hineinzuwagen?
Annette Kleinert: Zu Beginn hatte ich massive Probleme. Zum Glück hatte ich aber ein gutes Netzwerk von Leuten, die mir da durchgeholfen haben. Und das ist für mich, da ich nicht so beweglich bin und eben auch von zuhause aus viel machen muss, eine super Methode.
Gisela Fuhrmann: Nach dem digitalen Einstieg ins Projekt war es dennoch umso schöner, als wir uns dann endlich treffen durften und gemeinschaftlich weiterarbeiten durften. Zoom ist zwar schön, wenn man nicht kann, aber im Großen und Ganzen ist es mir lieber, wenn man sich persönlich trifft.
Sabine Meyer: Ja und zusammen macht das auch gleich viel mehr Spaß, als wenn das alles allein aus einer Person kommen muss. Da spielt man sich so ein bisschen die Bälle zu.
Forum Seniorenarbeit: Jede wurde mit den Ideen, die sie mitgebracht hat, akzeptiert und mitgedacht. Das gemeinsame Entwickeln des Projektes und entsprechend der Inhalte ist etwas Besonderes, da es auch andere Projekte gibt, die einen ganz getakteten und vorgegebenen Fahrplan haben. Ich habe das Gefühl, Sie haben gemeinsam als Gruppe die Strecke ausgesucht und gemeinschaftlich entschieden, wann in welche Richtung und in welchem Tempo abgebogen wird – das klingt super!
Wenn es jetzt andere Projekte gibt, die etwas ähnliches machen wollen, aber noch unsicher sind, wie ältere Menschen angesprochen werden sollen. Welche Ansprache funktioniert? Worauf ist zu achten?
Annette Kleinert: Das war Maritas Part, den Personen Ideen ins Ohr zu setzen und zu motivieren und die Teilnehmenden dort abzuholen, wo sie sich befinden.
Marita Lemmers: Persönliches Klinkenputzen ist wichtig. Ich stelle in meiner Arbeit insgesamt oft fest, dass gerade für viele ältere Leute das persönliche Gespräch ganz wichtig ist.
Forum Seniorenarbeit: Welche neuen Kompetenzen und Fähigkeiten haben die Mitwirkenden erlernen können bzw. was haben Sie aus der Arbeit am Trickfilm für sich mitnehmen können?
Marita Lemmers: Auf jeden Fall eine bessere Vorstellung wie so ein Trickfilm entsteht und wie viel Arbeit dahintersteckt.
Annette Kleinert: Genau! Ich sehe Trickfilme im Fernsehen jetzt mit ganz anderen Augen.
Gisela Fuhrmann: Außerdem weiß man es nun zu würdigen, wie viel Arbeit in so einem Film steckt.
Forum Seniorenarbeit: Möchten Sie abschließend noch gerne besonders schöne Momente, die sie während des Projektes erleben durften, hervorheben?
Marita Lemmers: Was ich sehr schön fand, war die gemeinsame Zeit. Die Zeit, wenn wir in der Runde gesessen und gemeinsam gemalt oder gesprochen haben. So ein leichtes Arbeiten hätte ich zwischendurch gerne immer wieder in meiner Arbeit.
Bettina Selle: Die Stimmung war immer echt super, wenn zusammen Lieder gesungen wurde oder gemeinsam Kaffee und Kuchen verspeist wurde. Außerdem muss ich sagen, dass Sabine und ich uns super ergänzen. Was uns dazu bewegt hat, nun weiterhin zusammenzuarbeiten.
Sabine Meyer: Ich möchte auch erwähnen, wie gut doch die Zoomsitzungen für uns funktioniert hatten. So hatten wir trotz Corona die Möglichkeit, eine Gruppe zu werden. Daher finde ich es noch wichtig darauf ein Augenmerk zu legen, dass es eben schon gelingen, online eine Gruppe zusammenzuführen.
Forum Seniorenarbeit: Die Begeisterung der Erstellung des gemeinsamen Trickfilms kann man Ihnen wirklich ansehen! Wir wünschen Ihnen noch viele tolle Projekte – auch gemeinsam – und bedanken uns herzlich für Ihre Zeit. Wir wünschen Ihnen alles Gute für die Zukunft.
Einige visuelle Eindrücke von der Arbeit am Trickfilm:
Weiterführende Links
Website Erzähltheater Osnabrück
Letzte Aktualisierung: 29. Juni 2022