2002-2017: Das EfI-Programm in Nordrhein-Westfalen – Versuch einer Bestandsaufnahme

von Karsten Gebhardt, EfI-Bielefeld e.V.

Ende der 90er Jahre und noch weit bis in die erste Dekade des neuen Jahrtausends bestimmte ein Thema die öffentliche Diskussion: Die demographische Entwicklung in Deutschland, die sog. „Altenlast“. Immer wieder wurde darüber gesprochen, welche immensen gesellschaftliche Kosten zu tragen wären, wenn sich die Alterspyramide immer weiter noch oben verschieben würde. Schon jetzt würden die Ausgaben der Krankenkassen für ältere Menschen überproportional wachsen und ein Ende sei nicht abzusehen. Ältere Menschen wurden in diesem Zusammenhang fast ausnahmslos als Kostenfaktoren angesehen, die erhebliche Belastungen für den jüngeren, gesünderen Teil der Bevölkerung in Deutschland brächten.

In dieser Situation wurde auf der Bundesebene das Bundesmodellprogramm „Erfahrungswissen für Initiativen (EfI)“ entwickelt und in den Jahren 2002 bis 2006 in verschiedenen Bundesländern auf den Weg gebracht. Die Fragestellung lautete damals (wie heute):

Wie können Kommunen von den Kompetenzen und dem Know-How älterer Menschen profitieren? Wie können ältere Menschen ihr Erfahrungswissen aus dem Berufs- und Familienleben selbstbestimmt und selbstorganisiert in ihre Kommune einbringen?

Hierzu wurden in verschiedenen Kommunen in Deutschland auf der Grundlage eines neu entwickelten Weiterbidungskonzeptes Ältere zu seniorTrainerinnen und seniorTrainern ausgebildet und anschließend in ihrer Kommune aktiv. In ihrer neuen Verantwortungsrolle griffen sie mit ihrem bürgerschaftlichen Engagement vernachlässigte Bedarfslagen auf, initiierten neue Projekte, starteten Initiativen und unterstützten bestehende Organisationen und Einrichtungen. Als Botschafter für ein neues – positives – Altersbild wirkten sie als Impulsgeber und Multiplikatoren für bürgerschaftliches Engagement in ihrer Kommune.

Das Land Nordrhein-Westfalen war im Bundesmodellprogramm „Erfahrungswissen für Initiativen“ in den Jahren 2002 – 2006 mit sechs Standorten vertreten (Aachen, Düsseldorf, Köln, Arnsberg, Minden, Herford). In diesem Programmzeitraum wurden 164 Personen zu seniorTrainerInnen ausgebildet. Die Erfahrungen in den Modellstandorten zeigten, dass die ausgebildeten seniorTrainerinnen und seniorTrainer eine ganz neue Kultur des bürgerschaftlichen Engagements entwickelten und in die Gestaltung des Miteinanders in den Kommunen einbrachten. Sie leisteten  in unterschiedlichen Verantwortungsrollen einen wichtigen Beitrag bei der Bewältigung der Herausforderungen, die der demographische Wandel an unsere Gesellschaft stellte.

Deshalb wurde das Programm ausgeweitet. Zu den im Bundesmodellprogramm geförderten Kommunen sind im Rahmen der Landesförderung in NRW von 2007 bis 2012 achtzehn weitere Kommunen hinzugekommen.

In der 1. Phase (2007 – 2009) wurden der Modelltransfer und die Vernetzung der seniorTrainerInnen mit der Qualifizierungsinitiative des Ministeriums für Generationen, Familie, Frauen und Integration unterstützt. Beteiligt waren die Städte Arnsberg, Bielefeld, Detmold, Düren, Düsseldorf, Hagen, Herford, Hilden, Köln, Minden, Mühlheim, Paderborn, Radevormwald, Schwerte und Wiehl. In diesem Programmzeitraum wurden insgesamt 363 Personen zu seniorTrainerInnen ausgebildet. Die Phase 2 (2010 – 2012) diente dann der Verstetigung und der weiteren Verbreitung und Vernetzung. Neu aufgenommen wurden die Kommunen Bergheim, Essen, Greven, Menden, Kreis Mettmann, Moers und Wuppertal. In diesem Zeitraum wurden ca. 420 Personen zu seniorTrainerInnen ausgebildet.

Mit dem Wegfall der Landesförderung im Jahr 2012 wurde das Programm in den einzelnen Kommunen in Nordrhein-Westfalen sehr unterschiedlich fortgeführt, teilweise aber auch komplett beendet. Nach einer von der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe und dem Evangelischen Erwachsenenbildungswerk Nordrhein 2014 in Auftrag gegeben Studie wurde in einer Auswertungstagung im Februar 2015 festgestellt, dass noch insgesamt siebzehn Anlaufstellen in NRW zu diesem Zeitpunkt aktiv waren, wobei das Leistungsangebot teilweise schon unterschiedlich war. Träger der Anlaufstellen sind dabei sowohl Kommunen als auch Wohlfahrtsverbände und EfI-Selbstorganisationen. In dreizehn Anlaufstellen wurden in 2015 nach wie vor EfI-Qualifikationen angeboten, die sich im Wesentlichen an dem Standard aus den letzten beiden Phasen der beiden NRW-Förderperioden orientieren.

Daraus lässt sich schließen, dass das EfI-Programm weiterhin eine große Attraktivität besitzt und zwar sowohl bei den Verantwortlichen für kommunale Ehrenamtssfrategien und –strukturen, als auch bei den Bürgerinnen und Bürgern bzw. den ausgebildeten seniorTrainerInnen. Insbesondere im Hinblick auf die Qualifizierung von Bürgerinnen und Bürgern für die Initiierung und Übernahme von bürgerschaftlichem Engagement haben sich keine neuen vergleichbaren Strukturen oder Formate entwickelt, selbst wenn es an einzelnen Stellen auch qualitative Weiterentwicklungen wie z.B.  „EfI – Kultur“ oder „EfI – Wohnen“ gegeben hat. Bedarf besteht nach der oben erwähnten Untersuchung insbesondere an kontinuierlichen und nachhaltigen (und nicht länger nur projektförmigen) Unterstützungsstrukturen sowohl auf kommunaler als auch auf Landesebene. In NRW gibt es hierfür keine Landesmittel, die derartiges fördern würden. Ebenso gibt es keine finanzielle Unterstützung des Landes bei der Qualifizierung von seniorTrainerinnen und seniorTrainern, anders als in anderen Bundesländern, in denen nach wir vor Fördermittel des jeweiligen Bundeslandes für derartige Qualifizierungen jährlich zur Verfügung gestellt werden.

Bei einer aktuellen Umfrage bei den bekannten EfI-Anlaufstellen in NRW hat sich für 2017 das aus der nachfolgenden Tabelle abgeleitet Bild ergeben:

  • In verschiedenen Kommunen werden vor allem finanziert aus kommunalen Haushaltsmitteln weiterhin Qualifizierungsangebote angeboten.
  • In 2 Kommunen werden EfI-Angebote ausschließlich aus Spenden und anderen Fördermitteln finanziert ohne finanzielle Beteiligung der Kommunen.
  • In 3-5 Kommunen sind leider überhaupt keine EfI-Aktivitäten mehr zu verzeichnen.
  • Die regelmäßigen Treffen der qualifizierten seniorTrainerinnen und seniorTrainer im Kompetenzteam oder bei Stammtischen führen zu nachhaltigeren Projekten, sie unterstützen das bürgerschaftliche Engagement.
  • Es fehlt vor allem der Austausch unter den Anlaufstellen über die Weiterentwicklungen des Qualifizierungs-Curriculums, erfolgreiche Strategien von Öffentlichkeitsarbeit und bei der Finanzierung der Angebote.

Tabelle herunterladen: Überblick über EfI-Aktivitäten in NRW in den Jahren 2016/2017

Bisher ist es in NRW leider nicht gelungen, eine flächendeckende und in sich kohärente Struktur der Engagementförderung zu entwickeln. So wird die Vermittlung von Freiwilligen, Qualifizierung, Beratung von gemeinnützigen Organisationen, Themenanwaltschaft und Öffentlichkeitsarbeit für bürgerschaftliches Engagement von unterschiedlichen Einrichtungstypen mal mehr, mal weniger wahrgenommen. Und auch eine Verknüpfung mit anderen Strategien der Landesregierung, etwa im Zusammenhang mit der Förderung der Quartiersentwicklung, ist wenig ausgeprägt. Vor allem wird dem Aspekt der Qualifizierung der Bürgerinnen und Bürger für bürgerschaftliches Engagement zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Wünschenswert ist ein stärkeres Engagement des Landes und eine deutliche finanzielle Unterstützung zur Bewältigung der Koordinations- und Austauschaufgaben.

Es bleibt abzuwarten, ob es gelingt, dies in Zukunft in NRW besser zu verankern.

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Tabelle herunterladen: EFI_Anlaufstellen Vereine 2017

Kontakt zu diesem Beitrag:

Karsten Gebhardt
EfI – Erfahrungswissen für Initiativen Bielefeld e.V.
E-Mail info@efi-bielefeld.de

Links im Web:

www.seniortrainer.org

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