Lebenslang l(i)ebenswert wohnen – Wohnberatung in Nordrhein-Westfalen

Ein wesentliches Ziel der Wohnberatung ist der Erhalt der selbständigen Lebensführung in der eigenen Wohnung und im gewohnten Umfeld durch optimale Anpassung der Wohnung an die individuellen Bedürfnisse der Menschen. So kann der wunschgemäße Verbleib der meisten Menschen in der vertrauten Umgebung realisiert werden. Dies kann präventiv oder reaktiv erfolgen. So können z. B. durch Umbau- und Anpassungsmaßnahmen Unfälle, insbesondere Stürze, verhindert und die oft folgende Hilfe- und Pflegebedürftigkeit vermieden werden.

Durch Wohnungsanpassung können auch die erforderliche Hilfe und Pflege in der Wohnung ermöglicht und erleichtert werden. Ziel ist es immer, den Vorstellungen und Wünschen der Ratsuchenden zu entsprechen. 

Kleine Maßnahmen – große Wirkung

Viele Maßnahmen der Wohnungsanpassung sind nicht sehr umfangreich und erleichtern auch helfenden Personen die Unterstützung. Häufig genügt schon das Verstellen der Möbel, beziehungsweise das Entfernen von Gegenständen, die nicht mehr gebraucht werden und im Weg stehen. Auch der Einsatz von passenden Hilfsmitteln und das Erhöhen vorhandener Möbel können helfen, um sicherer in der eigenen Wohnung zu leben. Manchmal bedarf es auch größerer Maßnahmen, wie dem Badezimmerumbau, Türverbreiterungen, bodengleichen Zugang zum Balkon oder Treppenlifte.

Egal um welche Maßnahme es geht: Frühzeitige Inanspruchnahme der Wohnberatung ist sinnvoll. Erfahrungsgemäß ist der Rat einer außen stehenden Person für Ratsuchende oft leichter anzunehmen und umzusetzen als der einer/s Angehörigen.

Im Musterland der Wohnberatung, in Nordrhein-Westfalen, gibt es ein fast flächendeckendes Netz hauptamtlicher Wohnberatungsstellen. Derzeit arbeiten 128 Wohnberatungsstellen hauptamtlich, unabhängig und für die Bürgerinnen und Bürger kostenlos. Bundesweit gibt es über 300 Wohnberatungsstellen, von denen viele auch ehrenamtlich arbeiten.

Ob in der Wohnung/dem Haus Barrieren abgebaut werden sollen, ist eine Frage, die möglichst früh entschieden werden sollte. Weniger Barrieren in der Wohnung bedeuten immer auch eine Wohnwertsteigerung. Die Entscheidung ist von verschiedenen Dingen abhängig: vom Wohnumfeld, um das es geht oder von den finanziellen Möglichkeiten, die zur Verfügung stehen. Von Bedeutung ist auch, ob es ein/e selbstgenutzte/s Wohnung/Haus ist und vom Wunsch, zukünftig in einer größeren Gemeinschaft zu leben. Wichtig ist auch, ob die eigene Versorgung möglich ist, wenn mehr Unterstützung notwendig wird und nicht zuletzt von den Angeboten und Dienstleistungen, die zur Verfügung stehen.

In Bad und Küche alles zum Greifen nah

Ein Winkelhaltegriff erleichtert das Aufstehen aus der Badewanne. Eine bodengleiche Dusche ist für alle – auch für Hilfspersonen – bequem. Ein halb hoher Duschvorhang oder, wenn genügend Platz im Bad ist, eine halb hohe Duschabtrennung, lassen die helfende Person zudem im Trockenen stehen. Ein Duschhocker erleichtert hilfebedürftigen und helfenden Personen die Rückenwäsche und kann bei Bedarf als Sitzgelegenheit am Waschbecken genutzt werden.

Die Toilettenpapierrolle sollte in bequemer Höhe angebracht werden. Ein Ständer würde nur im Weg stehen. Das Toilettenpapier muss ohne Verrenkungen sicher und bequem von der Toilette aus zu erreichen sein.

Mehr Sicherheit verschafft eine zusätzliche Sitzerhöhung der Toilette, die wegen der unangenehmen Reinigung allerdings nur eine vorübergehende Lösung ist. Bei dauerhaftem Bedarf sollte der Toilettentopf erhöht beziehungsweise das Hänge-WC höher angebracht werden.

Die Badezimmertür sollte nach außen aufgehen – das schafft Platz im Badezimmer. Wenn sie von außen zu öffnen ist (WC-Schließe), kann der Raum schnell von einer Hilfsperson im Bedarfsfall erreicht werden.  Eine ausreichende Türbreite ermöglicht das gemeinsame Betreten des Badezimmers (Unterhaken) mit einer zweiten Person.

Nicht nur in der Küche verhelfen Auszüge zu zusätzlicher Bequemlichkeit: einmal geöffnet ist von oben sichtbar, was die Laden enthalten und das Bücken entfällt. Gleichzeitig ist das Umräumen innerhalb der jeweiligen Schränke (nicht nur) in der Küche praktisch, so dass alles, was öfters gebraucht wird, in Griffnähe ist. Die Umgewöhnung an den neuen Standort braucht einige Zeit. Aber anschließend ist es alles viel leichter, bequemer und sicherer.

Falls es einen Tritthocker in der Küche gibt, sollte dieser entfernt und ein Platz in der Wohnung für eine Haushaltsleiter gesucht werden. Das kann die Abstellkammer oder, falls nicht vorhanden, auch der Platz neben dem Schlafzimmerschrank sein. Dort steht häufig auch das Bügelbrett. Eine ausreichend hohe Haushaltsleiter ist nicht nur bei Schwindel sondern für alle sicherer: beim Besteigen gibt es die Möglichkeit, sich bequem am Bügel festzuhalten.

Wohnberatung: kleine Maßnahmen – große Wirkung

Unter Berücksichtigung der individuellen Wohnsituation, der Notwendigkeiten, der Wünsche und Möglichkeiten der Ratsuchenden und Angehörigen sowie des vorhandenen Hilfenetzes werden beim Hausbesuch gemeinsam Verbesserungen geplant. Die Beratung umfasst den Einsatz von Hilfsmitteln, Ausstattungsänderungen in der Wohnung, bauliche Maßnahmen, Wohnungswechsel und die Finanzierung der Maßnahmen.

 

Wohnumfeld

Ältere Menschen bewegen sich viel zu Fuß, mit Fahrrad, Gehhilfe oder Rollator in ihrem Quartier. Zudem gewinnt das direkte Wohnumfeld mit steigendem Alter an Bedeutung, weil der Bewegungsradius häufig kleinräumiger wird. Viele Ältere, aber auch Jüngere mit und ohne Mobilitätseinschränkungen – wobei auch ein Kinderwagen oder schwere Einkaufstaschen ein Handicap sein können – tun sich schwer, wenn Barrieren auftauchen. Die Wohnumgebung ist mit entscheidend für alltägliche Routinen – Rituale, Kontaktaufnahme, allgemeine Versorgung, Sicherheitsgefühl, Bewegungsmöglichkeiten und somit Gesundheitsprävention, Selbstbestimmtheit und Selbständigkeit. Notwendig ist, neue Angebote in den Quartieren zu installieren, aber auch vorhandene zu festigen. Obwohl das jeweilige Wohnumfeld für dessen Bewohner*innen scheinbar gleich ist, können äußere Gegebenheiten je nach persönlichen Bedarfen und Bedürfnissen sehr unterschiedliche Auswirkungen auf das Leben und die Bewegungsmöglichkeiten haben.

Quartiere für alle, die vielfältig und regional unterschiedlich zu gestalten sind, haben folgende Merkmale[1]:

  • Gleichbehandlung und Nicht-Diskriminierung
  • Barrierefreiheit und Kultursensibilität
  • Begegnungs- und Netzwerk- sowie Beratungs- und Unterstützungsstrukturen
  • Partizipation an Planungs-, Gestaltungs- und Entscheidungsprozessen
  • Inklusion von Anfang an, d.h. Inklusion wird auch im Rahmen einer offenen Kinder- und Jugendarbeit und einer inklusiven Bildung berücksichtigt;
  • eine Haltung, die Alle einbezieht und Niemanden ausschließt – Wertschätzung von Vielfalt und umfassende Teilhabe.

ALLE Quartiere sind unterschiedlich. Die Bedürfnisse der jeweiligen Menschen sind verschieden, deren Beteiligung als Fachleute in eigener Sache unabdingbar.

Koordination Wohnberatung NRW und LAG Wohnberatung NRW

1999 wurde die LAG Wohnberatung NRW im Kreuzviertel-Verein/der Wohnberatung Dortmund mit weiteren Wohnberatungsstellen gegründet. Es ist ein freiwilliger Zusammenschluss der Wohnberatungsstellen in Nordrhein-Westfalen. Die LAG Wohnberatung NRW ist Mitglied in Fachgremien und Gesprächspartnerin für Politik und Verwaltung, z. B. bei Gesetzesvorhaben, Kommissionsarbeit, im beim Inklusionsbeirat NRW angesiedelten Fachbeirat „Barrierefreiheit, Zugänglichkeit und Wohnen“, im „Landesausschuss Alter und Pflege“ und im Begleitgremium zum Landesförderplan NRW des Ministeriums für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen (MGEPA NRW).

Die Koordination Wohnberatung NRW in Trägerschaft der LAG Wohnberatung NRW e.V. hat am 1.12.2015 die Arbeit aufgenommen. Gefördert wird sie vom MGEPA NRW und von den Landesverbänden der Pflegekassen NRW, zunächst bis 31.Dezember 2017.

Zielsetzungen sind u. a.

  • Bedarfsgerechte Weiterentwicklung von Wohnberatung und Wohnungsanpassung im engen Austausch mit allen relevanten Akteurinnen und Akteuren
  • Verbesserung der landesweiten Vernetzung und des fachlichen Austauschs zwischen den Wohnberatungsstellen
  • Förderung von Wissenstransfer, Transparenz und Abstimmung beim Aufbau neuer sowie bei der fachlichen Weiterentwicklung bestehender Wohnberatungsstellen

Aufgaben zur Erreichung der Zielsetzung sind u. a.

  • Organisation von Treffen in den jeweiligen Regierungsbezirken und Landestreffen aller Wohnberatungskräfte
  • Regelmäßiger Austausch mit den Mitarbeiter*innen der Wohnberatungsstellen und Bearbeitung von Anfragen
  • Wahrnehmung der Aufgaben der Geschäftsstelle einer Steuerungsgruppe aus Vertreter*innen von Kostenträgern (s.o.), Bezirksregierung Düsseldorf, kommunalen Spitzenverbänden, Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege NRW und LAG Wohnberatung NRW
  • Bildung und Begleitung von Arbeitsgruppen zu fachlichen Fragestellungen
  • Betreuung eines geschützten, moderierten Onlineraums für Wohnberater*innen
  • Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
  • Weiterentwicklung von Qualitätsstandards
  • Vernetzung zu angrenzenden Arbeitsgebieten

Fazit

Wünschenswert wäre ein flächendeckendes Angebot der Daseinsvorsorge von unbefristeten professionellen Wohnberatungsstellen in Nordrhein-Westfalen mit einem kostenlosen und unabhängigen Beratungsangebot zu Fragen des Wohnens – präventiv und bei Mobilitätseinschränkungen. Das beschleunigt und unterstützt die Anpassung der vorhandenen Wohnungsbestände bzw. Quartiere an die Bedürfnisse der jeweiligen Bewohner*innen. Ökonomischer Nutzen entsteht für Ratsuchende, Pflegepersonen, das Pflege- und das Gesundheitswesen (durch Vermeidung von Unfällen), kommunale Alten- und Sozialpolitik durch Lösung von Wohnproblemen, Einsparung bei den Pflege- und Krankenkassen und insbesondere bei den Sozialhilfeträgern.

Susanne Tyll

Foto von Susanne Tyll
(c) privat

Kontakt: Koordination Wohnberatung NRW, c/o LAG Wohnberatung NRW e.V.,
Münsterstr. 57, 44145 Dortmund, Tel.: 02 31 / 84 79 62 07, Fax: 02 31 / 84 79 62 08

tyll@koordination-wohnberatung-nrw.de

www.koordination-wohnberatung-nrw.de

[1] Eckpunkte des Deutschen Vereins für einen inklusiven Sozialraum 7. Dezember 2011

Fotos: Susanne Tyll

Letzte Aktualisierung: 8. März 2017

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