Von Heimat zeugen

Workshop 03: Von Heimat zeugen

Authentische Antworten auf die Frage: Wo gehöre ich hin?

Heimat ist ein Begriff, der von jedem Menschen individuell interpretiert wird. Die vielen Jahre, die manche Menschen an einem Ort erlebt haben, Freundschaften geschlossen und Familien gegründet haben, sind nur ein Teil von den Erlebnissen, die zu einer Identifikation und der Ausprägung eines Heimatgefühls beitragen.

Ziel des Workshops war es, den Begriff „Heimat“ näher zu definieren. Dazu wurde zunächst in einem Impulsreferat der Begriff „Heimat“ aus unterschiedlichsten Disziplinen der Wissenschaft beleuchtet. Anschließend wurden die Erkenntnisse aus den Zeitzeugenbörsen in Paderborn und in Bielefeld vorgestellt, die sich in den vergangenen Wochen explizit mit dem Thema „Heimat“ beschäftigt haben. Die Teilnehmenden haben interessante sowie spannende Ergebnisse zu politischen und sozialen Geschehnissen, aber auch zu persönlichen Ereignissen zusammengetragen, die maßgeblich ihr Bild von Heimat geprägt haben.

Anschließend wurde im Plenum mit den Workshopteilnehmerinnen und -teilnehmern über die Frage: „Was ist für Sie Heimat?“ diskutiert. Durch die heterogenen Teilnehmenden im Alter von Mitte 20 bis Mitte 80 mit den individuell geprägten Lebensverläufen entstand eine lebhafte und facettenreiche Diskussion zum Begriff „Heimat“.

Heimat – Was ist das? Versuch einer Begriffsbestimmung

Aufgrund der hohen Abstraktion und Individualität des Gefühls Heimat, kann es keine allgemeingültige Definition des Begriffs geben.

Neurologische Forschungen haben gezeigt, dass Heimatgefühle durch wiederholte synaptische Prägung und Manifestation von Engrammen im Gehirn entstehen.

Umgangssprachlich wird Heimat mit dem Ort verbunden, an dem ein Mensch geboren und aufgewachsen ist. Dort wo er sozialisiert wurde.

Der Zoologe und Verhaltensforscher Paul Leyhausen beschreibt Heimat als existenzielles Bedürfnis nach Verwurzelung bzw. Raumortung zur Stabilisierung der eigenen Identität, Stimulation und Sicherheit.

„Als räumlich und zeitbezogene Orientierung zur Selbstgewinnung des Menschen“ (Brockhaus (1989): S. 617 f.) definiert der Existenzphilosoph Otto Friedrich Bollonow Heimat.

Soziologische Sichtweisen sehen Heimat in Wechselwirkung zur Fremde als Entstehungsvoraussetzung von Gruppenidentität an (Brockhaus (1989): S. 617 f.).

Ergebnisse der Zeitzeugenbörsen in Paderborn und Bielefeld

Zeitzeugen der Zeitzeugenbörsen Paderborn und Bielefeld wurden nach ihrer Auffassung von Heimat gefragt. Die befragten Zeitzeugen waren zwischen 76 und 96 Jahre alt. Als Kinder, Jugendliche oder junge Erwachsene haben sie den 2. Weltkrieg miterlebt. Die Bombardierung ihrer Heimatstädte/Ortschaften, Flucht und Vertreibung, Wiederanwurzelung in der neuen Heimat sowie der Wiederaufbau zerbombter Häuser mit eigenen Händen haben sie geprägt.

Zusammenfassend wurde von den Zeitzeugen als Heimat der Geburtsort bzw. –stadt oder konkreter die Straße oder das Haus, in der man geboren wurde, die territorial unabhängige Anwesenheit vom Partner oder der Familie bzw. das soziale Umfeld sowie die Gefühle von Wohlbefinden, Sicherheit und Meinungsfreiheit genannt.

Diskussion im Plenum zum Begriff „Heimat“

Anschließend wurde im Plenum eine Diskussion zur Fragestellung „Was ist für Sie Heimat?“ geführt. Dabei wurden einerseits Kriterien identifiziert, die das Heimatgefühl auslösen und andererseits Kriterien aufgestellt, durch die das Heimatgefühl geprägt wird. In der Tabelle werden die Ergebnisse der Diskussion veranschaulicht.

Das Heimatgefühl wird ausgelöst durch:

Das Heimatgefühl wird geprägt durch:

  • Familie
  • Elternhaus
  • Geburtsort mit den gewohnten Strukturen (Häuser, Kirche, Schule, Friedhof, Mitmenschen, Lehrer, Mitschüler, Vereine)
  • Wohnort
  • Ort des Wohlfühlens
  • Himmel (religiöse Haltung)
  • Nachbarschaft / soziales Umfeld
  • Landschaften (Felder, Wiesen)
  • Muttersprache
  • Ort, wo man die letzte Ruhe findet
  • Ort, wo man sich auskennt
  • Mitmenschen
  • den Umgang mit den Mitmenschen
  • Nachbarschaft
  • Krieg
  • Vertreibung
  • Besondere Erlebnisse (z.B. Ort des Heiratsantrags)
  • Umzug oder Umsiedlung: entweder es wird der „neue“ Wohnort akzeptiert und zur Heimat oder es wird der „alten“ Heimat nachgetrauert
  • Religion
  • Identifikation mit dem Wohnort
  • Sprache / Möglichkeiten des Austausches
  • Düfte
  • Gewissheit über den Ort, wo man die letzte Ruhe findet (Mausoleum, Grabmal, Absicherung der Grabpflege)
  • Bräuche (z.B. Hochzeitsbitter)

 

Literatur:

  1. Cohn-Bendit, Daniel: Heimat Babylon, Hamburg, Hoffmann und Campe, 1992
  2. Bibliographisches Institut & FA Brockhaus: Brockhaus, Mannheim, Verlag Bibliographisches Institut & FA Brockhaus, 1989
  3. Mitscherlich, Beate: Heimat ist etwas, was ich meine, Arnoldshain,Evangelische Frauen in Deutschland e.V., 2011
  4. https://de.wikipedia.org/wiki/Heimat

Impulsgeberin des Workshops:

Foto von Christa Riedel
Christa Riedel

Christa-M. Riedel
Geboren am 24.12.1964 in Paderborn. Ehrenamtlich engagiert in der Zeitzeugenarbeit seit 2001. 2001/2002 Koordinatorin/Leiterin Zeitzeugenbörse Hamburg. 2011 Gründerin Zeitzeugenbörse Paderborn. 2012 Mitinitiatorin Bundesnetzwerk Zeitzeugenbörsen. In 2013 Gründerin der Zeitzeugenbörsen Bielefeld und OWL. Ehrenamtliche Koordinatorin der Zeitzeugenbörsen Paderborn (seit 2011), Bielefeld (2013) und OWL (2013).

Kontakt:
Zeitzeugenbörse Paderborn
E-Mail: zeitzeugenboerse.paderborn@gmx.de
Homepage: unser-quartier.de/zzb-paderborn

Autorin:

Foto von Annika Schulte
Annika Schulte

Annika Schulte, M.A. Gerontologie, ist Koordinatorin der Landesarbeitsgemeinschaft Seniorenbüros Nordrhein-Westfalen.

Kontakt:
Landesarbeitsgemeinschaft Seniorenbüros NRW (LaS NRW)
c/o Seniorenbüro Ahlen
Wilhelmstr. 5 in 59227 Ahlen
Tel.: 02382-94099714
E-Mail: info@las-nrw.de

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