Aufklären, stärken und beraten
Rund vier Millionen Menschen sind in Deutschland von einer Depression betroffen, jüngere ebenso wie ältere. Im Alter kommen allerdings für die Diagnose und Behandlung einige erschwerende Faktoren hinzu: Die Abgrenzung zwischen Depression und Demenz kann aufgrund ähnlicher Symptomatik eine große Herausforderung sein, erklärt der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Deutsche Depressionshilfe Ulrich Hegerl. Außerdem sind ältere Menschen mit Depressionen besonders suizidgefährdet. Bei Männern über 75 Jahre sei das Suizidrisiko fünfmal höher als im Durchschnitt der Bevölkerung, sagt Ulrich Hegerl in der neuen Ausgabe des Fachmagazins ProAlter des Kuratoriums Deutsche Altershilfe.
Obwohl depressive Störungen neben den Hirnleistungsstörungen zu den häufigsten psychischen Störungen im höheren Lebensalter zählen, sei die Qualität der Versorgung niedrig, kritisiert der Düsseldorfer Psychiater Martin Haupt. Mangelnde Diagnostik und wirksame Behandlung seien unter anderem auf die symptomatischen Besonderheiten zurückzuführen. Auf diese müssten die behandelnden Ärzte besonders achten, denn häufig klagen ältere Menschen beim Arztbesuch eher über somatische als psychische Leiden.
Eine angemessene Versorgung ist aber nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Angehörigen und die Mitarbeitenden in der Altenhilfe wichtig. Sie sind in ihrem (Arbeits-) Alltag im Umgang mit depressiv Erkrankten einem besonders hohen Druck ausgesetzt. Denn Menschen mit Depression verlangen oft unbewusst nach einem Gegenüber, das der Depression standhält und sich nicht zurückzieht. Welche Prozesse hierbei ablaufen, erklärt der Experte für gerontopsychiatrische Pflege Christian Müller-Hergl. Pflegende und Angehörige müssten lernen, für die eigene seelische Gesundheit zu sorgen und eine sozial bezogene Autonomie zu entwickeln. Um sich selbst vor einer Depression zu schützen, benötigen sie eine hohe Widerstandsfähigkeit, die so genannte Resilienz. Die Resilienztrainerin Sabine Horn weiß, wie Pflegekräfte bei der Selbstwahrnehmung und -pflege unterstützt werden können und gibt in der Mai-Ausgabe von ProAlter praktische Tipps.
Auch Hartmut Radebold musste lernen mit seiner Depression umzugehen. Der 80-Jährige gilt als Begründer der deutschsprachigen Psychotherapie Älterer und ist einer der Pioniere der Kriegskinderforschung. Mit Mitte 50 begann er eine Eigenanalyse und stellte sich seiner Traumatisierung als Kriegskind. Denn die Erinnerungen sind in sein „Gedächtnis eingeätzt“, sagt Hartmut Radebold im Interview mit ProAlter.
Themen dieser Ausgabe:
Unterschätzte Krankheit
Altersdepressionen erfordern eine besonders sorgfältige Untersuchung
Ulrich Hegerl
Die langen Schatten der Depression
Was ist das Besondere im Alter?
Martin Haupt
Standhalten und stellvertretend hoffen
Pflegende benötigen im Umgang mit Menschen mit Depression eine sozial bezogene Autonomie
Christian Müller-Hergl
Die Krankheit anerkennen
Von der Erstarrung in die Bewegung
Interview mit Annette Scholl
Wo Schatten ist, da ist auch Licht
Plädoyer für eine angemessene Versorgung alter Menschen mit Depressionen
Annette Scholl
Was uns stark macht
Ob beruflicher Stress oder Krankheit: Resiliente Menschen meistern Krisen einfacher
Sabine Horn
Leben
Halt in einer verwirrenden Welt
Alt, dement und Autistin: Wie Rituale und Strukturen helfen
Jutta Hollander
Menschen
Ins Gedächtnis eingeätzt
Interview mit dem Pionier der Kriegskinderforschung Hartmut Radebold
Management
Fit und zufrieden: Betriebliche Gesundheitsförderung
Nicole Schilli
Bildung
Gemeinsam Lösungen finden: Multiprofessioneller Masterstudiengang
Ulrike Höhmann und Otto Inhester
Forschung
Zwischen Nähe und Distanz: Ausländische Betreuungskräfte
Sabine Neukirch, Flavia Nebauer und Ann Marie Krewer
Politik
Der Nationale Gesundheitsberuferat als Dialogforum
Gerhard Igl und Almut Satrapa-Schill
Weitere Informationen und Bestellmöglichkeit
Letzte Aktualisierung: 22. Juni 2020