Am Abend der 3. Herbstakademie stand eine Einführung in den Squaredance auf dem Programm. Reiner Kemming leitete die Versuche der Laientänzerinnen und –tänzer an. Dabei baute er auf seine fast fünfzigjährige Erfahrung in der Vermittlung von internationalen Folkloretänzern auf.
Herr Kemming, wie machten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Herbstakademie bei Ihrer Tanzstunde?
Nach einem langen Tag konzentrierten Arbeitens war mehr als die Hälfte der Teilnehmer bereit, sich noch auf ein ihnen weitestgehend unbekanntes Tanzprogramm einzulassen. Squaredance ist eine Art zu tanzen, die, vor allem von Anfängern eine hohe Konzentration erfordert. Der Körper soll auf Signale reagieren, die im Kopf ankommen, dort verarbeitet werden und in verschiedenen Körperbereichen ganz bestimmte, vorher unbekannte Reaktionen auslösen sollen.
Ich fand es toll, dass sich so viele Teilnehmer der Tagung in einer eigentlich zur Entspannung vorgesehenen Phase darauf so fröhlich eingelassen und 90 Minuten durchgehalten haben. Aus den Reaktionen und anschließenden Gesprächen konnte ich entnehmen, dass es vielen Teilnehmern großen Spaß gemacht hat und dass sie in dieser spezifischen Art der Anforderung eine große Möglichkeit für Training und Aktivierung der Eigenkräfte des alternden Menschen sehen.
Herr Kemming, Ihre Frau brachte das Heft „Senioren Tanz“ mit, das das Kuratorium Deutsche Altershilfe vor langer Zeit herausgegeben hat. Haben Sie das Heft damals für Ihre Arbeit nutzen können?
Das Heft heißt „Senioren Tanz“ und wurde 1977 von Ilse Tutt in enger Zusammenarbeit mit dem Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA), Wilhelmine-Lübke-Stiftung e.V. herausgegeben. Es beschäftigt sich elementar und ausführlich mit den Möglichkeiten des Tanzens in der Seniorenarbeit. Für die konkrete Planung meiner Arbeit in Wuppertal war es nur von grundsätzlicher Bedeutung. Meine Frau hat mit dem Heft hinweisen wollen auf die schon recht alte enge Verbindung von KDA und Seniorentanz. Es war mit auslösend für eine große Bewegung in ganz Deutschland, die organisiert ist im „Bundesverband Seniorentanz“ mit Landesverbänden und einer Vielzahl örtlicher Arbeitskreise. Die Arbeit dieses Verbandes geht weit über den „Square Dance“ hinaus.
Herr Kemming, Sie leiten in Münster über ZWAR – Zwischen Arbeit und Ruhestand – ehrenamtlich Tanzgruppen an. Was reizt Sie besonders an dieser freiwilligen Tätigkeit?
Ich persönlich habe diesen tänzerischen Teilbereich seit vielen Jahren zu meinem Hobby gemacht und ihn in einem weiten Umfeld verbreitet. In den ZWAR-Gruppen in Münster habe ich ihn angeboten, weil ich beobachtet hatte, dass Senioren gelegentlich in den oft hohes Tempo und Konzentration fordernden Clubs ihre Tanzfreude verloren und wegblieben. Auch an mir selbst habe ich gespürt, dass ich mit den Jungen nicht mehr voll mithalten kann und deren oft unbändigen Leistungswillen und Bewegungsdrang auch nicht ausbremsen will.
Auf unserem Niveau im Hinblick auf Leistung und Bewegungslust haben wir gemeinsam riesig viel Spaß. Das Erlebnis, diese gemeinsame Lebensfreude immer wieder auslösen und mit genießen zu können, ist mir hinreichend Motivation.
Herr Kemming, die 3. Herbstakademie widmet sich der Zusammenarbeit zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen. Was halten Sie als Ehrenamtlicher dabei für besonders wichtig?
Das Ehrenamt muss immer eine Zugabe bleiben. Es darf niemals dazu kommen, dass Pflichtaufgaben der Gesellschaft in das Ehrenamt verlagert werden; dass also hauptamtliche Arbeitszeit eingespart wird, weil sie scheinbar durch ehrenamtliches Engagement abgedeckt werden kann. Ehrenamt darf also dem Hauptamt keinerlei Aufgaben abnehmen. Das Ehrenamt muss völlig freiwillig, ohne jeden Druck vom (helfend organisierenden) Hauptamt sein und bleiben. Ohne Zweifel kann und soll das Ehrenamt dem Hauptamt auch helfen, dabei muss das Hauptamt aber sorgfältig darauf achten, dass bei der ehrenamtlichen Tätigkeit dem freiwilligen Mitarbeiter auch die Freude und die Befriedigung, die daraus erwächst, erhalten bleibt.
Herr Kemming, Sie haben nicht nur das Abendprogramm der Herbstakademie gestaltet, sondern auch an den Workshops teilgenommen. Was nehmen Sie mit?
Aus dem vorher Gesagten geht schon viel Antwort auf diese Frage hervor: „Mens sana in corpore sano”, sagt eine uralte Weisheit. Das gilt ganz besonders für den alternden Menschen. Körper und Geist gehören eng zusammen, beider Wohlbefinden bedingen und einander. Dem Alter angemessene Bewegung ist für uns Senioren immens wichtig. Je gesunder und funktionierender der Körper ist, desto besser kann der Geist funktionieren.
Herr Kemming, wir danken Ihnen für das Interview!
„An einer Square Dance Class im Alter von etwa 65 Jahren oder älter teilzunehmen, wird kaum erfolgreich gelingen und mit größter Wahrscheinlichkeit viele Frustrationen auslösen. Besser ist der Einstieg bei einer Seniorentanzgruppe. Wer trotzdem speziell Square Dance sucht, sollte mit einem Club in seinem Wohnumfeld Kontakt aufnehmen. Tänzerischer Erfolg ist nach meinen Beobachtungen in dem Alter aber sehr fraglich. In Münster biete ich deshalb 14-tägig Dienstagnachmittags Square- und Kontra Dance für Senioren im ZWAR – Programm an. Bitte bei Interesse nachfragen unter 0251-73495 (auch AB).Wir freuen uns über neue Mittänzer.“ Reiner Kemming.
Letzte Aktualisierung: 24. November 2014
- In loser Folge: Digitale Dokumentation der 3. Herbstakademie
- „Diese Tagung ist nicht zu toppen!“
- Programm der 3. Herbstakademie
- Übersicht über die Workshops
- Begrüßung Heike Nordmann, Kuratorium Deutsche Altershilfe
- Körper und Geist gehören eng zusammen, beider Wohlbefinden bedingen einander
- Miteinander und nicht gegeneinander spielen – Im Gespräch mit dem Erkrather Stegreiftheater impromix
- Starthilfe für Bürgerengagement (Stadt Wuppertal)
- „Wann hat man schon mal die Möglichkeit, ein eigenes Thema in solch einer großen Veranstaltung zu platzieren?“
- Die gemeinsame Trägerschaft als Erfolgsfaktor für Seniorenbüros (Dortmund)