Virtuelles Dialog-Café für Senior*innen bietet Corona die Stirn und erschließt digitale Welten

Letztes Jahr wurde ich bei Einkäufen oder in der Bahn immer mal wieder von älteren Menschen angesprochen, die sich einfach nur unterhalten oder mitteilen wollten, wie es ihnen geht. Als Risikogruppe haben es Seniorinnen und Senioren in der Pandemie besonders schwer: Die meisten können, wollen oder dürfen keinen Besuch mehr empfangen und viele verlassen ihre Wohnungen nur noch, um dringende Besorgungen zu machen.

Ich fragte ich mich, wie es möglich ist, dass sich ältere Menschen auch in Zeiten des „Lockdowns“ austauschen und wieder etwas näherkommen können. Das brachte mich auf die Idee, ein virtuelles Dialog-Café für ältere Menschen zu eröffnen und im Rahmen eines digitalen „Kreativ-Workshops“ mit Senior*innen zu überlegen, was wir dieser Zielgruppe darüber hinaus in Zeiten von Corona anbieten könnten.

Am 11.11.2020 stellte ich meine Idee in der Geschäftsführung der Sozial-Betriebe-Köln (SBK) vor, wo ich vor 20 Jahren als „Zivi“ bereits im Seniorenzentrum Riehl Tanz- und Internetkurse für Senior*innen angeboten habe. Meine Idee wurde mit Begeisterung aufgenommen:

Ich wurde mit der Koordinatorin des Seniorennetzwerkes Riehl bekannt gemacht und stellte noch am selben Tag eine Terminkette für ein wöchentliches, zweistündiges Dialog-Café bis zum Jahresende ein. Gleich 5 Senior*innen wählten sich zu meiner ersten Sitzung „Gute Ideen für verrückte Zeiten – eine Einladung zu Ideensuche und Erfahrungsaustausch“ ein. Der Termin selbst war ein voller Erfolg:

Trotz technischer Herausforderungen konnten sich alle Teilnehmenden per Video einwählen, es wurde viel gelacht, geklönt und wir tauschten uns darüber aus, wie wir die letzten Monate erlebt haben, was uns Freude macht und wie wir diese Freude mit anderen Menschen teilen können. Und natürlich über das, was es schon gibt oder nicht mehr gibt:

Etwa das von einer Seniorin ins Leben gerufene „Plauderstündchen“, ein „telefonisches Blinddate“, wo man sich auf eine Liste eintragen lässt und wöchentlich einen Anruf erhält von einer unbekannten Person, die sich ebenfalls angemeldet hat, für ein ungezwungenes Schwätzchen. Präsenzangebote wie der „späte Mausklick“, ein PC-Treff für Senior*innen, „Singen fürn Spaß“ und das allseits beliebte „Bingo“ mussten leider schon vor vielen Monaten eingestellt werden.

Ein virtuelles Dialog-Café gab es noch nie und die Zeit verging wie im Flug. Beim abschließenden Feedback meinten alle einstimmig, dass es viel Spaß gemacht habe und viel besser sei, „als zu Hause zu sitzen und über Corona nachzudenken“.

In den vier darauffolgenden Wochen trugen wir alle bisherigen Präsenzangebote zusammen und überlegten gemeinsam, welche sich davon ggf. digitalisieren ließen. Ich war überwältigt von der Freude, Begeisterung und Kreativität aller Beteiligten. Neben dem wöchentlichen Dialog-Café entwickelten wir gleich fünf neue Ideen:

  • ein virtuelles Weihnachtsbingo = das wöchentliche Bingo war DAS Highlight der Woche im Seniorenzentrum Riehl, bis es im März 2020 wegen Covid-19 eingestellt werden musste;
  • „Später Mausklick – digital“ = den beliebten PC-Treff brachten wir in den virtuellen Raum, betreut von einem erfahrenen Senioren, der die Betreuung übernahm
  • „Singen für’n Spaß – digital“ = eine Seniorin lädt zum gemeinsamen Singen ein
  • Virtuelles Weihnachtssingen von und für Senior*innen am 17.12. = das Drehbuch dazu mit Liedern, Gedichten & Co. entwickelte ich mit den Teilnehmenden während meines Dialog-Cafés
  • Kulturgruppe – digital = Senior*innen treffen sich im virtuell, um gemeinsam kulturelle Expeditionen im digitalen Raum zu unternehmen

Auch das Dialog-Café selbst entwickelten wir sukzessive weiter. So stellten wir jede Woche unter ein Motto (Lieblingsorte, Lieblingsbücher, Lieblingsrezepte, Geheimtipps in der Region etc.) und laden immer wieder Menschen als Gäste zu Fokusthemen ein: So besuchte uns Dagmar Hirche zum Thema „Wege aus der Einsamkeit“ und erzählte von ihren Versilberer-Runden. In den letzten Wochen standen Erfahrungen aus Film und Fernsehen, Social Hacking und Mediation auf dem Programm.

Die Teilnehmenden bringen außerdem ihre eigenen Talente ein: So erhielten wir von einer Teilnehmerin, einer ehemaligen Buchhändlerin, eine Einführung in das Gedächtnistraining. Eine andere Teilnehmerin, die schon etliche Bücher herausgegeben hat, las für uns aus ihren Werken.

Damit auch Menschen, die sich nicht einwählen können oder wollen, partizipieren können, gibt es zu jedem Dialog-Café ein Protokoll, in dem wesentliche Inhalte zusammengefasst werden, und das auch in Papierform zur Verfügung gestellt wird.

Diese Woche ist mein Dialog-Café ein Jahr alt geworden. Passend zu diesem feierlichen Anlass, trafen sich alle, die gut zu Fuß sind und sich von den kalten Temperaturen nicht abschrecken ließen, das erste Mal in Präsenz. Im Kölner Zoo, wo wir eine exklusive Führung von der Tochter einer Teilnehmerin erhielten.

Ab diesem Monat probieren wir etwas Neues aus: Wir treffen uns alle zwei Wochen abwechselnd – virtuell oder in Präsenz (solange das möglich ist) – und bieten dem Virus weiterhin die Stirn. Selbstverständlich geimpft. Und fest davon überzeugt, die Pandemie erfolgreich zu überwinden.

Sebastian Arens, Telekom Botschafter, sebastian.arens@telekom.de

Interview zum Thema beim Domradio:

Auf der Website des Domradio Köln anhören

Letzte Aktualisierung: 1. Dezember 2021

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Dieser Beitrag ist Teil des Themenmonats 12/2021 "Stärkung digitaler Kompetenzen für ältere Menschen mit erhöhtem Hilfebedarf".

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