Experteninterview zum Thema Einsatz von Messengern in der Arbeit mit und für ältere Menschen

Christian Müller sozial-pr
Christian Müller (sozial-pr.net)

Im Nachgang unserer Dialogveranstaltung Messenger in Sozialraum und Nachbarschaft für ältere Menschen mit dem Kommunikationsberater Christian Müller von sozial-pr.net stand dieser uns für ein Interview zum Thema Messenger zur Verfügung. Hier wurden einige grundlegende Fragen gestellt sowie die Einschätzung eines Kommunikationsberaters eingefangen, wie Messenger zukünftig in unserem Arbeitsfeld sinnvoll und gewinnbringend genutzt werden können.
Da auch wir die Digitalisierung in unserem beruflichen Kontext nutzen (wollen), wurde das Interview über die Funktion der Sprachnachrichten des Messengers Telegram geführt.

„Lieber Christian, was sind Messenger eigentlich?“

„Also rein technisch betrachtet ähneln sie auf den ersten Blick der guten alten SMS, also den Kurznachrichten. Das wäre aber zu kurz gegriffen. Messenger sind für mich Kommunikationskanäle in denen ich schriftlich einen Dialog bzw. ein Gespräch führen kann – deutlich schneller und direkter als bei der E-Mail. Messenger nutzen ähnlich der E-Mail oder SMS als Basismedium Text. Inzwischen können moderne Messenger jedoch noch viel mehr, nämlich über Audionachrichten – also Sprachnachrichten, Videonachrichten oder GIFS kommunizieren. Kurz gefasst sind Messenger Kommunikationskanäle, in denen mit Text, Video, Audio, Bildern und Dateien Gespräche geführt werden ohne in Echtzeit kommunizieren zu müssen. Das bedeutet, dass ich asynchron – also zeitlich versetzt – kommunizieren kann, mit jedem Medium und jeder Art der Kommunikation, die mir liegt und gefällt.“

„Vielen Dank für diesen ersten Überblick zu den Messengern und deren Unterschied zur Kurznachricht und E-Mail. Welche Messenger gibt es im Einzelnen und wo unterscheiden sie sich?“

„Der bekannteste und am weitesten verbreitete Messenger ist der Whats App Messenger des Hauses Facebook. Whats App ist rein technisch aus meiner Sicht einer der besten Messenger. Er hat nur drei große Datenschutzprobleme:

Das erste Problem liegt darin, dass Whats App Facebook gehört, was zumindest in Deutschland ein rotes Tuch ist. Facebook hat Whats App auch noch nicht auf die DSGVO angepasst. Das zweite Problem ist, dass Whats App den Upload des Adressverzeichnisses erzwingt, was bei allen anderen Messengern lediglich eine Option darstellt. Somit hat Whats App Zugriff auf alle im Smartphone hinterlegte Adressen. Der dritte problematische Aspekt ist, dass die Metadaten bei Whats App nicht verschlüsselt sind, im Gegensatz zum Inhalt der Nachrichten. Somit ist erkennbar, wer mit wem kommuniziert. Der Nachrichteninhalt wird übrigens besser verschlüsselt als jede E-Mail, solange diese nicht explizit verschlüsselt wurde.

Eine Alternative zu Whats App ist der recht bekannte Messenger Telegram. Dieser erfreut sich großer Beliebtheit und ist kostenlos. Er kann Sprachnachrichten, Videos und all diese Dinge auch verschlüsselt übersenden. Einziger Nachteil bei Telegram ist, dass der Anbieter in Dubai sitzt und es von einem russischen Unternehmen betrieben wird. Konsequenz ist, dass die ganzen Verhältnisse nicht so ganz klar sind – d.h. man muss Vertrauen haben, dass die Motivation der Macher tatsächlich gut ist. Vorteil von Telegram ist, dass es eine Desktop-App gibt, die tatsächlich auch ohne Smartphone funktioniert. Somit ist es möglich Telegram auch am Tablet sowie am Computer zu nutzen. Das liegt daran, dass die ganzen Informationen in einer Cloud beim Anbieter gespeichert werden, was aus Sicht des Datenschutzes schwierig ist.

Weitere Beispiele sind Threema und Wire – beides sind Messenger aus der Schweiz und von der Verschlüsselung sowie dem Datenschutz her sehr gut. Bei beiden gibt es bezahlte Varianten für Unternehmen und Organisationen, die im beruflichen Kontext genutzt werden. Daimler hat beispielsweise Threema im internen Einsatz.

Ich persönliche halte folgende zwei Messenger noch für erwähnenswert und wichtig: Rocket.Chat als Open-Source-Messenger, den ich auf dem eigenen Server installieren kann. Dies bringt aus Sicht des Datenschutzes einen ziemlich entspannten Umgang mit sich. Der andere Messenger, den ich gerne noch nennen möchte, ist Mattermost. Mattermost ist eine Art Messenger bzw. Intranetsystem für Unternehmen oder Organisationen intern. Auch das kann ich selber installieren und ist somit auch aus Datenschutzsicht deutlich entspannter als Whats App.

Als weiteren Hinweis noch – es gibt von der Deutschen Post den Messenger SIMSme. SIMSme ist ein Messenger der auf deutschen Servern läuft, der von der Deutschen Post entwickelt wurde. Dieser wird gerne aus Datenschutzsicht hochgelobt, aber räumt sich eine Menge der Nutzungsrechte an den anonymisierten Daten für Werbezwecke und ist meiner Erfahrung nach auch nicht so stabil wie andere Messenger.“

„Es wird deutlich, dass es doch eine große Bandbreite an Messenger gibt, die allesamt unterschiedliche Vor- und Nachteile – besonders bezügllich des Datenschutzes – mit sich bringen. Was macht Messenger deiner Meinung nach so erfolgreich?“

„Ich denke dass es drei Hauptgründe gibt, warum Messenger so erfolgreich sind. Zum einen machen sie die Kommunikation sehr leicht, d.h. sie geben mir die Wahlmöglichkeit ob ich schreiben will, eine Sprachnachricht verschicke oder Bilder oder Videos nutzen möchte. Im geschäftlichen Bereich kann es auch von Vorteil sein dass ich direkt Dateien verschicken kann. Sprich ich habe sehr wenig Hürde und eine sehr große Auswahl was die Medien betrifft, mit denen ich kommunizieren kann.

Der zweite Grund für den Erfolg liegt meines Erachtens darin, dass sie auf einem sehr interessanten Weg zwischen synchroner und asynchroner Kommunikation sind. Zur Erklärung: Synchrone Kommunikation wäre in Echtzeit, also persönliche Gespräche wie Videochat oder Telefon – das wäre synchron, also weitestgehend in diesem Augenblick in der Kommunikation. Asynchron ist zum Beispiel Kommunikation via E-Mail oder Post – also sprich einer schreibt, dann dauert es eine Weile bis etwas zurückkommt – also nicht in Echtzeit. Messenger sind da für mich ein interessanter Mitteldweg. Sie sind asynchron – denn ja, wenn mir einer eine Nachricht schreibt muss ich nicht direkt antworten. Auf der anderen Seite kann ich sehr schnell antworten, wenn ich dies möchte – also synchron kommunizieren. Insgesamt betrachtet das die Kommunikation mit Messengern sehr flexibel – dieser Mittelweg zwischen ich kann synchron kommunizieren, wenn ich will, ich kann aber auch sehr asynchron kommunizieren.

Dazu kommt, dass moderne Messenger mittlerweile auch Suchfunktionen besitzen, sodass versendete und erhaltene Inhalte schnell wiederzufinden sind.  

Der Messenger stellt also eine schöne Mischung dar. Ich besitze die Wahlfreiheit direkt oder zu einem späteren Zeitpunkt zu antworten (synchrone und asynchrone Kommunikation) – und das vom Smartphone aus. Man darf nie vergessen dass Smartphones eine mobile Kommunikation ermöglichen und die Kommunikation mit diesem allgegenwärtigen Medium leicht und einfach möglich ist. Und zu guter Letzt finde ich mittels Suchfunktion auch wieder was ich hin und her geschrieben habe. In meinen Augen sind das sind insgesamt die wichtigsten Kriterien für den Erfolg.“ 

„Du hast innerhalb der Dialogveranstaltung zum Thema Messenger einige Beratungsangebote in der Jugend- und Sozialhilfe benannt, die mit Messengern arbeiten. Könntest du die nochmal kurz skizzieren und deine Einschätzung geben, ob diese 1 zu 1 auf andere Arbeitsfelder übertragbar sind? Auch mit der Zielgruppe älterer Menschen?“

„Gerade in der Jungend- und Sozialarbeit wird immer noch Whats App eingesetzt. Bevor jetzt der Datenschutzaufschrei kommt – Nein, es wird Datenschutz-konform eingesetzt. Whats App wird nicht als Kommunikationskanal genutzt, mit dessen Hilfe ich mit Klientinnen und Klienten spreche, sondern als Informationskanal. Die Nutzung als Kommunikationskanal wäre aus Datenschutzsicht tatsächlich sehr problematisch, im Gegensatz zur Nutzung als Informationskanal. Hier werden mit Whats App beispielsweise Newsletter, also reine Informationen, angeboten. Mittels Messenger wird quasi das angeboten, was früher in E-Mails verschickt wurde.

Das ist tatsächlich ein sehr guter Ansatz, der hervorragend funktionierend – und zwar nicht nur in der Jugendarbeit, sondern tatsächlich unabhängig vom Alter. Ich habe das auch tatsächlich schon in Hospizgruppen eingesetzt und in der Arbeit mit älteren Damen und Herren und deren Angehörigen. Auch in der Nachbarschaftshilfe gibt es schon gute Ansätze.

Als Informationskanal sind Messenger definitiv für alle Altersbereiche sinnvoll. Ob das dann immer Whats App ist oder ob man im Kontext digital nicht ganz so affinen Zielgruppen eher auf Telegram setzt, muss im Einzelfall geprüft werden. Hier ist zu beachten, dass Telegram Datenschutz-technisch etwas fragwürdig ist. Der Vorteil liegt jedoch darin, dass es eben auch ohne Smartphone direkt am Rechner verwendet werden kann.

Ganz grundsätzlich sind Messenger als Infokanal wirklich gut. Als Kommunikationskanal auch, aber aus datenschutzrechtlicher Perspektive tatsächlich schwierig.

Auch bei der Zielgruppe älterer Menschen funktioniert es meiner Erfahrung nach ganz gut. Wobei gerade ältere Menschen ganz gerne auf Gruppen – und Forensysteme umsteigen. Voraussetzung ist, dass diese halbwegs gut benutzbar sind, da das Erlebnis der Nutzenden natürlich passen muss.

Wichtig ist, sich vorab immer die Fragen zu stellen  Was wollen wir machen? und Warum wollen wir Messenger nutzen?. Die Antwort lautet meistens, dass eine einfache und schnelle Kommunikation über einen Kanal, den die Menschen bereits nutzen, gewünscht ist. Als weit verbreitete Messenger gelten besonders Whats App und der Facebook Messenger. Wenn diese Fragen beantwortet sind, macht es Sinn umzusteigen. Manchmal kann aber auch die gute alte E-Mail noch der sinnvollste Kanal sein. Das hängt tatsächlich davon ab, mit wem man kommunizieren möchte.“


〉〉 Achtung! Beachten Sie hierzu unseren Nachtrag (Stand Juni 2019) am Ende des Beitrags zu den aktuellen Änderungen der Nutzungsbedingungen von Whats App. 〈〈


 

„Nachdem ich die Fragen für mich beantwortet habe – welche Tipps hast du für die Nutzung von Messengern? Was ist wichtig und muss beachtet werden?“

„Im Zuge der neuen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) müssen Aspekte, die den Datenschutz betreffen, beachtet werden.

Dann gehört aber auch die Frage dazu, mit was die Nutzenden vertraut sind – sprich welche Oberfläche bzw. welchen Messenger kennen sie? Daran muss ich mich orientieren.  

Es braucht Regeln um Messenger im Team oder in einer Organisation sinnvoll einzusetzen. Was erwarten wir an Reaktionsgeschwindigkeit? Ab und bis wann muss jemand erreichbar sein? Hier ist das Stichwort ständige Erreichbarkeit zu nennen.

Ich muss auch Regeln aufstellen wie man beispielsweise mit Sprachnachrichten umgeht. Wann sind Sprachnachrichten ok? Wann nehme ich eine Textnachricht? Wie werden Emojis genutzt? Emojis sind eine ganz wichtige Sache, weil man im Text eben keine Emotionen rüber bekommt – das geht in Sprachnachrichten schon besser. Es macht auch Sinn solche Regelungen zu verschriftlichen und für alle Nutzenden zugänglich zu machen. Ganz allgemein sollte die Frage „Was machen wir mit dem Messenger und was machen wir nicht über den Messenger?“ beantwortet werden.“

„Der Umgang mit Messengern sollte also gewissen Regeln und Rahmenbedingungen unterliegen. Auch die Auswahl des Messengers sollte wohl überlegt werden. Ich hoffe wir konnten den Leserinnen und Lesern in diesem Interview einige grundlegende Fragen beantworten.
Hast du noch einige Quellentipps, falls das Interesse an der Arbeit mit Messengern gewachsen ist und Leserinnen und Leser sich weiter informieren wollen? Vielleicht kannst du auch einige Quellen nennen, die auch für Messenger-Neulinge verständlich sind?“

„Eine erste Quelle ist www.allfacebook.de – auf der Internetseite sind alle Veränderungen, die Facebook usw. betreffen, zu finden. Hier sind auch Nicht-Experten gut aufgehoben. Zwischendurch sind einige sehr tiefgehende Fachbeitrage dabei, dennoch sind sie ein guter Ansatz.

Die zweite Quelle ist www.mobilsicher.de – das ist eine Seite die auch wirklich in Sachen Medienkompetenz Aufklärung betreibt. Das finde ich persönlich ganz sinnvoll und praktisch. Es wird nicht nur auf die Technik geschaut, sondern auch erklärt wie etwas funktioniert.

Der dritte Tipp richtet sich an Interessierte, die viel Zeit haben und längere wirklich fundierte ausführliche Texte lesen wollen: www.upload-magazin.de .

Ich selbst bin als Redaktionsmitglied auf www.zielbar.de als Redaktionsmitglied tätig. Hier beleuchten wir auch Kommunikationsthemen, die interessant sein könnten.“

„Wir möchten Organisationen und Initiativen Möglichkeiten aufzeigen, wie Messenger im beruflichen Kontext genutzt werden können. Was ist generell deine Meinung dazu, Messenger auch beruflich zu nutzen?“

„Ich persönlich glaube, dass die Nutzung von Messengern im beruflichen Kontext unausweichlich ist. Messenger sind tatsächlich ein wichtiger Kommunikationskanal geworden, auch beruflich. Ich würde die tatsächlich auch nicht mehr wegdenken wollen.

Wichtig ist – wie schon mehrfach angesprochen – dass klare Regeln für den Umgang mit Messenger definiert werden. Ich glaube, dass Messenger im beruflichen Kontext sinnvoll sind, wenn sie professionell eingeführt werden. Wenn sie einfach ohne Regelungen eingeführt werden, dann können sie sehr viel Druck auslösen und dieses Gefühl der ständigen Erreichbarkeit auslösen und zu einem tatsächlichen Problem werden. Aber wenn sie richtig eingeführt werden, dann kann es die Kommunikation deutlich beschleunigen, deutlich verbessern  – auch Stress rausnehmen und die Arbeit deutlich erleichtern.“

„Lieber Christian, vielen Dank dass du dir die Zeit genommen hast, am Interview teilzunehmen.“

Das Interview führte Christine Freymuth.

Hier finden Sie auf einen Blick die wichtigsten Informationsquellen, die Christian Müller benannt hat:

www.allfacebook.de

www.mobilsicher.de

www.upload-magazin.de

www.zielbar.de


〉〉 Nachtrag Stand Juni 2019:
Whats App hat beschlossen, dass die Verwendung des Messengers als Newsletter-Dienst  nicht länger geduldet wird.  Dieser Massenversand von Nachrichten bewegte sich bislang in einer Grauzone. Ab dem 7. Dezember 2019 wird Whats App gegen eine Nutzung des Messengesr, die über AGB-Konforme und private Zwecke hinaus geht, rechtliche Schritte einleiten.

Weitere Informationen zu den geplanten Änderungen von Whats App finden Sie in diesem Artikel der Onlineplattform T3N.

(Bild:pixabay.com)

Letzte Aktualisierung: 17. Juni 2019

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