Auf Augenhöhe – Die Trias als Erfolgsmodell

Der „Austausch auf Augenhöhe“ zwischen ehrenamtlich und hauptamtlich Engagierten und zwischen Trägerorganisation und Kommune ist eine Ressource und bleibt eine Herausforderung. Im Rahmen der „Qualitätsinitiative Gemeinwesenorientierte Seniorenarbeit“ hat sich im „Interkulturellen Nachbarschaftsnetzwerk 55plus Moers Meerbeck“ die institutionalisierte Zusammenarbeit von Kommune, Trägerorganisation und Freiwilligen (die „TRIAS“) als entscheidender Erfolgsfaktor erwiesen.

Der Workshop ermöglichte einen Einblick in die Höhen und Tiefen, in die Mühen und Erfolge der Kooperation zwischen Kommune, Trägerorganisation und Freiwilligen. „Auf Augenhöhe“ war auch das Motto für eine lebendige Diskussion mit Referent/-innen und Teilnehmenden des Workshops.

 Das „Interkulturelle Nachbarschaftsnetzwerk 55plus Moers Meerbeck“

Vom 1. Dezember 2010 bis zum 30. November 2013 war die Evangelische Kirchengemeinde Moers-Meerbeck Träger des Projektes „Interkulturelles Nachbarschaftsnetzwerk 55 plus Moers Meerbeck“, einem von insgesamt elf von der Stiftung Wohlfahrtspflege für die Dauer von drei Jahren geförderten Projekten im Rahmen der „Qualitätsinitiative in der gemeinwesenorientierten Seniorenarbeit“. Im laufenden Jahr 2014 kann die Arbeit des Interkulturellen Nachbarschaftsnetzwerkes durch eine Projektförderung des Evangelischen Erwachsenenbildungswerkes Nordrhein und eines einmaligen Zuschusses der Stadt Moers weiter finanziert werden. Ab 2015 wird das Netzwerk in die Regelförderung der Stadt Moers für Seniorenbegegnungsstätten aufgenommen. Die Kirchengemeinde erhält dann einen jährlichen Zuschuss in Höhe von 31.000 Euro.

Zielgruppe des Interkulturellen Nachbarschaftsnetzwerkes sind Bürgerinnen und Bürger des Stadtteils Meerbeck und der näheren Umgebung, die aus dem aktiven Berufsleben ausgeschieden sind. Das Nachbarschaftsnetzwerk unterstützt, fördert und motiviert Senioren, sich mit ihren Erfahrungen, ihrem Wissen und ihren Potentialen in die Arbeit mit einzubringen. Im Mittelpunkt der Arbeit steht der Aufbau von selbstorganisierten Gruppen für ältere Menschen mit und ohne Zuwanderungsgeschichte im Stadtteil, um gemeinsame Freizeitinteressen zu verwirklichen, Bildungsangebote wahrzunehmen und soziale Kontakte zu knüpfen. Über die differenzierten Gruppenangebote innerhalb des Projektes wird der Heterogenität hinsichtlich der Bildungserfahrungen und –interessen Rechnung getragen. Das Projekt hat es sich zum Ziel gesetzt, Partizipation über Engagement zu ermöglichen. Jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer erhält die Möglichkeit, ihren / seinen Platz im Projekt entsprechend der persönlichen und fachlichen Kompetenzen zu finden. Besonders die älteren Menschen mit Migrationshintergrund werden dabei ermutigt, ihre sich aus ihrem individuellen „Lebenserfahrungsschatz“ entwickelten Kompetenzen einzubringen. Spezielle Zugangsvoraussetzungen gibt es nicht, die Teilnahme ist kostenlos. Neben den regelmäßigen Gruppen werden Vorträge, Veranstaltungen und Ausflüge zu Themen angeboten, die insbesondere Ältere interessieren. Aktuell bestehen solche selbstorganisierten Netzwerkaktivitäten wie z.B.

  • im Bereich Gesundheit / Prävention: Wandergruppe, Boule-Turniere, Bosseln am Niederrhein, Kanutouren auf der Lippe, Kurs: Gymnastik im Alter, Kochgruppe: Gesunde Ernährung, Kurs: Selbstverteidigung für Senioren, Gesprächskreis für Angehörige von Menschen mit Demenz
  • im Bereich Begegnung: Türkischer Tanzabend, Frühstücks-Café (monatlich), Geschichten-Café, Interkulturelles Handarbeiten, Interkulturelle Frauenwerkstatt (Türkische Frauen erproben sich in alltagspraktischen handwerklichen Tätigkeiten), Nachbarschaftshilfe (in Kooperation mit der IGBCE Ortsgruppe Meerbeck)
  • im Bereich Kultur / Bildung: Computergruppe 55plus, Handy-Kurs, Englischgruppe 55plus, Deutschgesprächskreis für türkische Frauen, Lesekreis, Fotoprojekt „Buntes Meerbeck“, Kultur & Wandern (auf dem Fernwanderweg E 8 durch den Niederrhein), Vortragsreihen zu Themen wie Sicherheit in der Wohnung, Patientenverfügung, Betreuungsvollmacht, Besuche kultureller Einrichtungen (Museen, Floriade, Duisburger Zoo, Stadtteil Krefeld-Uerdingen, DRK Multikulturelles Seniorenzentrum „Haus am Sandberg“ in Duisburg-Homberg).

Dabei stehen immer die Interessen der Netzwerker/-innen an erster Stelle. Die Mitwirkung der Aktiven auf allen Ebenen ist ebenso Bestandteil des Konzeptes wie eine enge Zusammenarbeit mit der Kommune. Kooperationen mit Einrichtungen und Gruppen der Migrant/-innen sowie anderen Trägern sozialer Arbeit haben eine zentrale Bedeutung. Der hauptamtliche Netzwerkkoordinator unterstützt und koordiniert diese Prozesse. Eine türkische Mitarbeiterin unterstützt den Netzwerkkoordinator insbesondere dabei, Zugänge zu türkischen Bürgerinnen und Bürgern zu gestalten.

Über die einzelnen Interessensgruppen und Aktivitäten hinaus gibt es eine Identifikation mit dem Netzwerk als Ganzes und wird Verantwortung für das Netzwerk als Ganzes von möglichst Vielen übernommen. Kern dieser Mitverantwortung ist die „Kümmerergruppe“, die Gruppe derjenigen im Netzwerk, die besondere Verantwortungsrollen für einzelne Aktivitäten übernommen haben und sich monatlich im „Kümmerertreffen“ austauschen und Verabredungen treffen.

Neben der Vernetzung im Stadtteil sind die Leitstelle Älterwerden und der Seniorenbeirat der Stadt Moers in die Arbeit eingebunden. Aus der dreijährigen Projekterfahrung in der Qualitätsinitiative wurde das „Trias-Modell“ in den Regelbetrieb überführt. In der „Trias“, einer neuen Kooperationsstruktur zwischen Kommune, hauptamtlich und ehrenamtlich Tätigen im Projekt, treffen sich der ehrenamtliche Projektbegleiter und die Mitarbeiterin der Kommune (Leitstelle Älterwerden der Stadt Moers) regelmäßig mit dem hauptamtlichen Mitarbeiter zum Austausch über die Projektentwicklung.

Zum Workshop auf der 3. Herbstakademie

Kornelia Jordan von der Leitstelle Älterwerden der Stadt Moers hat das Projekt von Beginn an intensiv begleitet und auch an der Trias-Qualifizierung teilgenommen. Im Workshop hat sie die Entwicklung der Seniorenarbeit in Moers skizziert. Moers hat sich in den vergangenen Jahren an einer Reihe von Förderprogrammen des Landes NRW beteiligt, wie z.B. „Erfahrungswissen für Initiativen (EFI – NRW)“ oder „Aktiv im Alter“. Darüber hinaus hat Moers mit Unterstützung durch das Institut für Gerontologie an der TU Dortmund einen Beratungs- und Konzeptentwicklungsprozess „Innovative Seniorenarbeit in Moers: Entwicklung von Begegnungs- und Beratungszentren“ durchgeführt, an dessen Ende eine Musterkonzeption, neue Förderkriterien und ein Wirksamkeitsdialogverfahren für die Seniorenbegegnungs- und beratungszentren der unterschiedlichen Träger in Moers standen. Die neuen Förderkriterien lehnen sich dabei eng an die zwölf Qualitätsziele der gemeinwesenorientierten Seniorenarbeit an, die vom Forschungsinstitut Geragogik in Kooperation mit den Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege entwickelt wurden.[1]

Im Workshop wurden das Projekt „Interkulturelles Nachbarschaftsnetzwerk 55plus Moers Meerbeck“ durch das Bild eines Hauses vorgestellt. In einer Kiste waren die notwendigen Bausteine vorbereitet. Einige dieser Säulen waren bereits bezeichnet mit Elementen, die den Meerbecker Akteuren besonders wichtig geworden sind: Lernbereitschaft, Respekt, Herz, Mitverantwortung, Verbindlichkeit und Vertrauen. Damit sollten die wesentlichen Gelingensfaktoren benannt werden. Die Teilnehmenden bekamen aber auch Gelegenheit, ihre Erfahrungen mit einzubringen. „Was meinen Sie, was ist Ihre Erfahrung, was braucht es für ein „Interkulturelles Nachbarschaftsnetzwerk“? Was braucht es für die Entwicklung von Netzwerkarbeit? Wie kann Eigenverantwortung und Bürgerschaftliches Engagement im Stadtteil initiiert und unterstützt werden?

In den beiden Workshoprunden wurden auf diese Weise viele weitere Aspekte ergänzt: Streitkultur, Mut, die Erlaubnis, Fehler machen zu dürfen, gemeinsames Interesse, Ressourcen, langer Atem, kreatives Denken und Handeln, Persönlichkeiten als Treiber, Bürgerbeteiligung, Förderer und gute Strategien, um Ängste abzubauen und Vorurteilen entgegenzutreten.

Kornelia Jordan, Wolfgang Angerhausen, der hauptamtliche Netzwerkkoordinator, und Wolfram Reutlinger, der Vertreter der bürgerschaftlich Engagierten im Projekt, haben bei der Vorstellung der „Säulen der Netzwerkarbeit“ aber nicht nur alles schön gemalt. Immer wieder kam der „Springteufel“ zum Vorschein und hat die Schattenseiten benannt. Zur Notwendigkeit von Lernbereitschaft und den vielen positiven Erfahrungen in diesem Zusammenhang gehört eben auch die „Anstrengung“, die es kostet sich immer wieder auf Neues einzustellen. Und natürlich gehört eben auch das „Jetzt ist es einmal genug!“ dazu, das nicht mehr lernen müssen. Mitverantwortung und Kommunikation auf Augenhöhe mit allen Beteiligten, ja unbedingt – das geht aber natürlich auch nicht ohne Auseinandersetzung, Streit und Missverständnisse. Vertrauen muss wachsen. Und Verbindlichkeit ist nicht immer durchgängig vorauszusetzen, sondern muss auch immer wieder eingefordert werden.

Die Säulen des Hauses wurden schließlich mit einem Dach versehen. Dieses Dach – als „Überbau“ und Schutz stellt die Trias dar, die intensive Zusammenarbeit von Kommune, Evangelische Kirchengemeinde als Träger, dem hauptamtlichen und dem ehrenamtlichen Projektkoordinator. Nur auf diese Weise konnte sich das Projekt in dieser Weise positiv entwickeln. Diese Kooperation ist gewachsen und hat sich in vielen Gesprächen, Kontakten und auch Auseinandersetzungen als tragfähig und nachhaltig erwiesen. Alle Partner profitieren davon.

Das Interkulturelle Nachbarschaftsnetzwerk 55plus Moers Meerbeck pflegt viele Kooperationen im Stadtteil. Das „Haus“ stand deshalb auf einem Stadtplan von Meerbeck, so dass zum Schluss die wesentlichen Partner vorgestellt werden konnten. Hierzu zählen insbesondere der Internationale Kulturkreis Moers e.V., der Bunte Tisch Moers e.V., die beiden Moscheevereine im Stadtteil, das Forum Neu:Meerbeck, das Café Sonnenblick (ein ehrenamtlich von Mitgliedern der evangelischen Nachbarkirchengemeinde Moers-Hochstraß getragener Treffpunkt in Meerbeck), die ehrenamtlich betriebene Stadtteilbibliothek, der Meerbecker Sportverein und der SCI:Moers – Gesellschaft für Einrichtungen und Betrieb sozialer Arbeit mbH (gemeinnützig).

Referent/-innen

  • Wolfgang Angerhausen, Netzwerkkoordinator Interkulturelles Nachbarschaftsnetzwerk 55 plus Moers Meerbeck
  • Kornelia Jordan, Stadt Moers, Leitstelle Älterwerden
  • Wolfram Reutlinger, ehrenamtlicher Netzwerkkoordinator Interkulturelles Nachbarschaftsnetzwerk 55 plus Moers Meerbeck

Moderation

Dieter Zisenis, Evangelisches Zentrum für Quartiersentwicklung, Düsseldorf / bbb Büro für berufliche Bildungsplanung, Dortmund

Zum Autor: Dieter Zisenis, Diplom-Pädagoge, selbständiger Organisationsberater und Gesellschafter im bbb Büro für berufliche Bildungsplanung/R. Klein & Partner GbR, Dortmund. Seine Arbeitsschwerpunkte sind die Konzeptentwicklung und das Projektmanagement in Aus-, Fort- und Weiterbildung, die Beratung von Kommunen und Unternehmen der Sozialwirtschaft,  Forschungs- und Evaluationsprojekte und die  Bildungs- und Lernberatung. Darüber hinaus gehört er dem Entwicklungsteam des Evangelischen Zentrums für Quartiersentwicklung (www.quartiersentwicklung-zentrum.de) an.

Kontakt: zisenis@bbbklein.de

[1] Köster, Dietmar, Schramek, Renate, Dorn, Silke, Qualitätsziele moderner SeniorInnenarbeit und Altersbildung – Das Handbuch, Oberhausen, 2008

Letzte Aktualisierung: 24. November 2014

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